Eine bürgerliche Bundesregierung, die sich auf Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat stützt - Angela Merkel hat die Vorstellung, die sie damit verbindet, einst in einen prägenden Begriff gefasst: Durchregieren.

Reformpolitik aus einem Guss wird ihr in den kommenden vier Jahren allerdings schwerfallen. Die Lage der Weltwirtschaft zwingt die neue Regierung zur Konzentration auf Wesentliches. Die Staatsfinanzen geben den Gestaltungsspielraum vor.

Union und FDP teilen mehr Überzeugungen als Union und SPD, aber weniger, als man annehmen mag; die unterschiedliche Gewichtung von Sicherheit und Freiheit ist nur ein Beispiel. Der Wahlkampf war von wechselseitigen Verletzungen geprägt und hat kulturelle Gräben zwischen CSU und FDP offengelegt. Umso wichtiger wird es sein, dass sich Union und Liberale auf einen detaillierten Koalitionsvertrag verständigen, einen, der sich nicht mit Kapitelüberschriften begnügt. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit und erzeugt Verlässlichkeit.

Einem weiteren Leitgedanken sollte der Koalitionsvertrag folgen: Zurück zur Ehrlichkeit. Es war ein erheblicher Fehler, im Wahlkampf schnelle und substanzielle Steuersenkungen zu versprechen. Erste Unionspolitiker sagen jetzt, wie begrenzt die Möglichkeiten sind. Sie deuten an, dass Einschnitte notwendig werden. Was auf die Bürger zukommt, muss in dem Vertrag stehen.

In den Koalitionsverhandlungen sollten Union und FDP über die Wahlperiode hinaus denken, auch strategisch. In einem Fünfparteiensystem können sich Union und FDP nicht dauerhaft auf Schwarz-Gelb als einzige Machtoption stützen. In den nächsten vier Jahren entscheidet sich, ob die Grünen mit Sozialdemokraten und Linken einen rot-rot-grünen Block formen - oder ob das Hamburger Modell beziehungsweise Jamaika im Bund möglich werden.

Die bürgerlichen Parteien sind gut beraten, nicht alle Brücken zu den Grünen einzureißen. Ein Testfeld für die Kooperationsfähigkeit von Union, FDP und Grünen wird die Energiepolitik sein.