Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, hat vor einem Abbau der Arbeitnehmerrechte gewarnt.

Berlin. "Wir wollen mit jeder gewählten Regierung konstruktiv zusammenarbeiten, aber das heißt mitnichten, dass wir jede Politik mittragen", sagte Sommer gestern anlässlich der Gründung des DGB vor 60 Jahren. "Unsere Messlatte sind die Arbeitnehmerrechte", sagte Sommer in Berlin. "Deshalb wollen und werden wir uns niemals mit einer von uns für falsch gehaltenen Politik abfinden. Das gilt für jeden oder jede, die dieses Land oder Teile davon regiert", fügte Sommer beim Festakt hinzu, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnahm. CDU/CSU und FDP wollten wenige Stunden später in Berlin ihre Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Die Gewerkschaften hatten die künftigen Regierungsparteien in den vergangenen Tagen wiederholt davor gewarnt, Arbeitnehmerrechte und Sozialleistungen abzubauen.

Sommer hob die Verdienste der Gewerkschaften hervor: "In den vergangenen 60 Jahren haben wir fürwahr einen großen Beitrag zum Aufbau unseres Landes geleistet." Die Gewerkschaften hätten dazu beigetragen, dass Deutschland wieder ein geachtetes Mitglied der Völkergemeinschaft sei, das sich der Wahrung der Arbeitnehmerrechte verpflichtet fühle. Als zentrale Errungenschaften der Gewerkschaften nannte der DGB-Chef unter anderem das Streikrecht und die Tarifautonomie.

Das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer habe weder der deutschen Wirtschaft noch einzelnen Betrieben geschadet, sagte Sommer. Wer dies nun schleifen wolle, störe die soziale Balance des Landes. Wer sich etwa daranmache, Tarifautonomie und Streikrecht auszuhöhlen, "der wird bei uns auf Granit stoßen", warnte Sommer.

Bundespräsident Horst Köhler hob in seiner Rede die Rolle der Gewerkschaften bei der Bewältigung der Finanzkrise hervor. "Eine grundlegende Reform der Weltfinanzordnung verlangt auch die Beteiligung der Gewerkschaften." Das Staatsoberhaupt rief die Arbeitnehmervertreter auf: "Mischen Sie sich ein und schließen Sie Ihre Reihen auch über Ländergrenzen hinweg."

Köhler warnte davor, die Finanzkrise bereits als beendet anzusehen, und forderte, Lehren aus dem Einbruch der weltweiten Finanzmärkte zu ziehen. Auch nach den Beschlüssen des G20-Gipfels in Pittsburgh könne er nicht erkennen, dass "sich eine Krise dieser Dimension auf den Weltfinanzmärkten nicht doch eines Tages wiederholen kann", sagte Köhler. Intransparente Derivategeschäfte und Spekulation auf den Rohstoffmärkten seien "in Größenordnungen, die völlig unvorstellbar sind", weiterhin an der Tagesordnung.

"Ja, ich sehe das Monster noch nicht auf dem Weg der Zähmung", warnte das Staatsoberhaupt mit Blick auf die internationalen Finanzmärkte. "Vor allem kann ich auch noch keine tiefer gehende Selbstreflexion der globalen Finanzakteure erkennen, das heißt ihr Nachdenken über die Krise im eigenen Haus, über die Wertekrise im eigenen Denken und Handeln." Es sehe so aus, dass die Branche die Politik "im Regen stehen lässt", kritisierte Köhler. "Und die Diskussion darüber, wer die Kosten der aktuellen Krise eigentlich trägt, hat noch nicht einmal ernsthaft begonnen."