Mit dem schwarz-gelben Wahlsieg ist die Atomdebatte neu entbrannt. Denn Union und FDP sind sich einig: Sie wollen zumindest einige der 17 Kernkraftwerke in Deutschland länger am Netz lassen.

Hamburg. Mit ihren Plänen zur Laufzeitverlängerung würden sie den im Jahr 2000 von der rot-grünen Regierung gesetzlich festgeschriebenen Atomausstieg aushebeln, demnach alle deutschen Meiler nach einer Übergangsfrist abgeschaltet werden sollen.

Obwohl nichts beschlossen ist, laufen sich die Atomgegner bereits warm, allen voran die Grünen. Sie drohen mit massiven Protesten. Grünen-Fraktions-Chefin Renate Künast zog gestern im Deutschlandradio eine Waffe, die so alt ist wie die Anfänge ihrer Partei. Sie kündigte dort eine enge Zusammenarbeit mit der außerparlamentarischen Opposition, kurz APO, an. Die Partei müsse jetzt das Parlamentarische mit dem Außerparlamentarischen verbinden und dabei mit Gewerkschaften, Kirchen und Umweltgruppen kooperieren, kündigte Künast an und verwies dabei ausdrücklich auf den Atomkraftwerkausstieg. "Wer da Hand anlegt, wird Demonstrationen ernten", hatte sie schon zuvor gedroht.

Die Grünen sind nicht die Einzigen, die sich in Position bringen. Nach dem Wahlsieg von CDU und FDP sei ein Ruck durch die Anti-Atom-Bewegung gegangen, berichtet etwa Jochen Stay von der Organisation "Abgeschaltet". "Sollte sich die kommende Bundesregierung zum Erfüllungsgehilfen der Atomlobby machen wollen, muss sie mit heftigem Widerstand rechnen", sagte Stay.

Die Energiekonzerne hingegen wittern angesichts des schwarz-gelben Wahlsiegs das große Geschäft. Nach einer Studie der Landesbank Baden-Württemberg könnten sich ihre Zusatzgewinne bei einer Laufzeitverlängerung um 25 Jahre auf 200 Milliarden Euro belaufen. Die Stromlieferanten verloren angesichts der sich bietenden Chance keine Zeit. EnBW, RWE, E.on - sie alle stellten Forderungen an CDU und FDP. Einer der Ersten und Aktivsten war RWE. Schon am Montag ließ der Konzern verlauten: "RWE vertraut darauf, dass die Union und die FDP ihre Wahlversprechen einhalten und die Weichen für Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken stellen." RWE-Chef Jürgen Großmann forderte in der ARD, dass alle Kernkraftwerke länger am Netz bleiben sollten, auch die umstrittenen Blöcke Biblis A und B in Hessen. Beide sollten eigentlich schon in der zu Ende gehenden Wahlperiode abgeschaltet werden. Die Zusatzgewinne aus der Laufzeitverlängerung wolle RWE in die Forschung für erneuerbare Energien stecken, versicherte Großmann und ging damit auf eine CDU-Forderung ein.

Die Worte der Energiekonzerne trafen auf offene Ohren. Der FDP-Umweltexperte Michael Kauch erklärte, dass die FDP längere Laufzeiten wolle, wenn auch nicht für alle Reaktoren. Details nannte er nicht. Die CDU gab sich offensiver. "Wir wollen auf eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke hinarbeiten", sagte CDU-Vorstandsmitglied Katherina Reiche in der ARD. Zur Begründung verwies sie auf Klimaschutzziele und stabile Preise. Auch die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner, die als Umweltministerin einer schwarz-gelben Bundesregierung im Gespräch ist, ist nicht abgeneigt. "Sie sollten so lange laufen, so lange sie sicher sind", sagte sie.