Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagt, was er von der neuen Regierung in Deutschland erwartet. Und das ist nicht wenig.

Berlin. Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise stellt unser Land vor noch nie da gewesene Herausforderungen. Oberste Priorität hat die Sicherung der Unternehmensfinanzierung. Die Banken müssen in die Lage versetzt werden, den Unternehmen in ausreichendem Umfang Kredite zu gewähren, um neue Investitionen und Betriebsmittel zu finanzieren. Deutschland ist auf funktionierende Finanzmärkte angewiesen - nicht um der Banken, sondern um der Unternehmen und ihrer Beschäftigten willen.

Ich habe die Sorge, dass die Probleme bei der Unternehmensfinanzierung zunehmen und eine flächendeckende Kreditklemme eintritt, welche die wirtschaftliche Erholung behindert. Es ist zu befürchten, dass die Banken in den kommenden Monaten noch weniger Spielraum für die Vergabe neuer Kredite sehen, weil die Kreditrisiken steigen. Wenn die Kreditwürdigkeit der Unternehmen als Folge der Krise leidet, müssen die Banken die bestehenden Kredite mit mehr Eigenkapital unterlegen. Gleichzeitig wächst der Kreditbedarf der Wirtschaft bei anziehender Konjunktur.



Deshalb sind weitere Maßnahmen der Politik erforderlich. Die den Banken von der Bundesregierung über die staatliche Förderbank KfW bereitgestellten Globaldarlehen müssen mit Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung verbunden werden, um den Banken die Weitergabe entsprechender Kredite zu erleichtern.
Auch der deutsche Verbriefungsmarkt muss wiederbelebt werden. Wenn die Banken einen Teil ihres Kreditrisikos durch Verbriefungen weitergeben können, wird Eigenkapital freigesetzt, das die Vergabe weiterer Kredite ermöglicht.


Es ist richtig, die Eigenkapitalanforderungen an die Banken für die Zeit nach der Krise zu erhöhen. Allerdings muss gewährleistet sein, dass diese Verschärfung die Banken und damit die Wirtschaft nicht in der Krise trifft. Das würde die Möglichkeiten der Banken zur Vergabe von Krediten einengen und die drohende Finanzklemme verschärfen.


Wirtschaft und Politik sollten darüber hinaus im Euro-Raum eine Initiative ergreifen, um die Qualität der Rating-Agenturen durch Wettbewerb zu verbessern. Es gibt derzeit weltweit nur drei maßgebliche Rating-Agenturen, die alle ihren Sitz in den USA haben. Die Gründung einer europäischen Rating-Agentur von Rang wäre ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte.


Außerdem muss es für Unternehmen, die in den Vorjahren erhebliche Gewinne versteuert haben, jetzt aber krisenbedingt in die Verlustzone geraten, die zeitlich befristete Möglichkeit geben, krisenbedingte Verluste mit Gewinnen aus den Vorjahren steuerlich zu verrechnen. Auch damit würde die neue Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zur Liquidität der Unternehmen leisten.


Die Politik muss ferner alles unterlassen, was Arbeit und Wirtschaft zusätzlich belastet. Gleich nach der Sicherung der Unternehmensfinanzierung heißt deshalb die zweite Priorität: keine neuen Steuern und Abgaben, keine zusätzliche Bürokratie. In den Wahlprogrammen der Parteien finden sich sozialpolitische Wunschvorstellungen, die zwangsläufig zu höheren Abgaben führen. Deshalb gilt die Forderung: In den kommenden vier Jahren darf es keine neuen Belastungen für Wirtschaft und Arbeit geben!


Die gegenwärtige Haushaltslage ist eine gewaltige Bedrohung für unsere Zukunft. Daher meine dritte Forderung: Die Regierung muss die enorme Staatsverschuldung abbauen. Das ist aber nur zu schaffen, wenn der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse tatsächlich auch eine strikte Ausgabendisziplin bei den öffentlichen Finanzen folgt.


Meine vierte Priorität schließlich lautet: Entlastung bei Abgaben und Steuern. Angesichts der Situation bei den öffentlichen Finanzen lässt sich dies nicht sofort realisieren. Trotzdem müssen wahrnehmbare Entlastungen für Unternehmen und der Arbeitnehmer ein mittelfristiges Ziel der neuen Bundesregierung sein. Ein einfacheres und gerechteres Steuersystem lässt sich aber schon vorher umsetzen. Neben Steuererleichterungen brauchen wir auf mittlere Sicht weiterhin Ausgaben senkende Strukturreformen in allen Zweigen der Sozialversicherung. Die bisherigen Schritte reichen bei Weitem nicht aus, um der immensen Herausforderung durch den demografischen Wandel zu begegnen.


Dieter Hundt ist Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA).