Die Rückkehr in die Große Koalition verpasst, vier aufreibende Jahre neben der Linkspartei auf den Oppositionsbänken in Aussicht. Bei der SPD brechen harte Zeiten an, und es zeichnen sich erste personelle Veränderungen ab.

Berlin. Führende Sozialdemokraten aus allen Flügeln haben bei internen Beratungen gestern Abend auf eine Neubesetzung gedrungen. Parteichef Franz Müntefering bekräftigte dagegen seine Bereitschaft, weiter im Amt zu bleiben. Vertreter des SPD-"Netzwerks" von jüngeren Abgeordneten forderten, dass Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier neben dem Fraktionsvorsitz auch die SPD-Führung übernimmt.

Dem Vernehmen nach warb der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel bei den Beratungen im hermetisch abgeriegelten Flügel der SPD-Zentrale für eine "Paketlösung" für die gesamte neue Führung. Die Parteilinke erklärte, derzeit sei ein von allen getragener mehrheitsfähiger neuer Kandidat für den SPD-Vorsitz nicht in Sicht. Eine Vorentscheidung über das weitere Vorgehen wird von der Sitzung der Landes- und Bezirksvorsitzenden heute Abend in Berlin erwartet.

SPD-Linke wie der frühere Juso-Chef Björn Böhning und seine Nachfolgerin Franziska Drohsel hatten zuvor bereits gefordert, es dürfe kein "Weiter so" in der SPD geben. Die Partei brauche einen Erneuerungsprozess. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erwartet Veränderungen in seiner Partei. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, das kann man nicht auf den einen oder anderen abwälzen", sagte Wowereit im ZDF. Die Partei müsse sich aber fragen, was sie inhaltlich falsch gemacht habe. Die Partei müsse jetzt in der Opposition "ihr soziales Profil schärfen". Zudem werde es einen Erneuerungs- und Verjüngungsprozess geben müssen. Befragt zur weiteren Rolle von Parteichef Franz Müntefering sagte Wowereit, dieser könne trotz des Ergebnisses "natürlich" beim Parteitag wieder für dieses Amt antreten. Dies sei seine Entscheidung. In der SPD heißt es aber schon länger, Müntefering habe seinen Zenit überschritten.

Steinmeier hatte zuvor seine Niederlage eingestanden. Zugleich kündigte er an, neuer Fraktionschef und damit Oppositionsführer werden zu wollen. Er übernimmt damit den Posten von Peter Struck, der nicht wieder zur Wahl angetreten ist.

Franz Müntefering hat für die SPD eine kraftvolle Oppositionsarbeit im Bundestag angekündigt. Trotz der verheerenden Niederlage der Sozialdemokraten ist er zur Wiederwahl als Parteichef bereit. "Das habe ich so gesagt zum Parteitag. Und alles, was ich dazu gesagt habe, gilt auch", sagte er. Im November werde sich der Parteitag mit den Gründen für die Wahlschlappe befassen. Das Wahlprogramm der SPD sei aber schon die richtige Botschaft gewesen.