In Nordrhein-Westfalen tobt ein Skandal um verdeckte Beobachtung. Ist Ministerpräsident Jürgen Rüttgers darin verwickelt?

Düsseldorf. Die nordrhein-westfälische Staatskanzlei hat in der sogenannten Video-Affäre die Vorwürfe der Bespitzelung zurückgewiesen. Das Büro von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sei in die Überwachung der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft durch die CDU nicht eingebunden gewesen. „Die Staatskanzlei hat niemanden bespitzelt, weder systematisch, noch im Einzelfall“, hieß es in einer Erklärung. Kein Mitarbeiter der Staatskanzlei sei an „Bespitzelungsmaßnahmen“ beteiligt gewesen.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte unter Berufung auf ihr vorliegende E-Mails berichtet, die Überwachung Krafts sei offenbar aus der Regierungszentrale mitgesteuert worden. Demnach soll der Planungschef der Staatskanzlei, Boris Berger, etwa am 8. September in einer Mail an die CDU-Zentrale geschrieben haben: „Gute Infos, danke. Wie bündeln wir solche Infos, wie organisieren wir die dauerhafte Beobachtung und Archivierung der Infos?“ Zuvor habe er aus der CDU-Zentrale ein Dossier über einen Kraft-Auftritt in Köln erhalten, hieß es in dem Bericht.

Die Staatskanzlei erklärte, aus den betreffenden E-Mails ergebe sich, dass auch Berger sich lediglich an der Diskussion über Berichte von öffentlichen Veranstaltungen beteiligt habe. Maßnahmen der Videoaufzeichnung durch die CDU seien von ihm kritisch kommentiert worden. Kontakte zwischen der Staatskanzlei, der CDU-Landtagsfraktion und der CDU-Landesgeschäftsstelle – aber auch zu anderen Parteien und Fraktionen – seien üblich und entsprächen den Gepflogenheiten und Notwendigkeiten der Parteiendemokratie, hieß es.

Bereits am Mittwoch hatte ein Sprecher der Landesregierung angesichts der Berichte über die Mails von einem ungeheuerlichen Vorgang gesprochen: „Offenbar wird die Staatskanzlei systematisch bespitzelt.“ Vor allem werde offenkundig ein bestimmter Mitarbeiter seit Jahren ausgespäht – und es sei nicht auszuschließen, dass auch Rüttgers Opfer der „Bespitzelungsattacken“ sei. Man habe unmittelbar juristische Schritte eingeleitet, auch das Landeskriminalamt habe Untersuchungen aufgenommen.

SPD-Chef Franz Müntefering verglich die Video-Affäre unterdessen mit dem „Watergate-Skandal“ des früheren US-Präsidenten Richard Nixon. „Herr Rüttgers erinnert mich weniger an Johannes Rau, sondern eher an Richard Nixon“, sagte Müntefering „Rheinischer Post“. Der nordrhein-westfälische SPD-Generalsekretär Michael Groschek hatte zuvor von einem „Tiefpunkt der politischen Kultur in NRW“ gesprochen.

Der Video-Streit hatte schon Anfang des Monats begonnen, als Mitglieder der SPD-Jugendorganisation Jusos Videoclips von Wahlkampf-Reden des CDU-Ministerpräsidenten ins Internet stellten. Rüttgers hatte dabei abfälligen Äußerungen über rumänische Arbeiter gemacht. Kurz darauf kritisierte die SPD, die CDU habe professionelle Video-Teams zur Überwachung der SPD-Landeschefin Kraft eingesetzt. Die CDU erklärte damals, es sei seit Jahren gängige Praxis, dass Parteien sich gegenseitig beobachteten.