Zwei Mal hat sich al-Qaida in den vergangenen Tagen in Videos gegen Deutschland gerichtet. Innenminister Schäuble reagierte besorgt.

Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind angesichts der beiden gegen Deutschland gerichteten Droh-Videos der Terrororganisation al-Qaida alarmiert. „Wir müssen diese Drohungen ernst nehmen. Sie sind durch Hinweise von Nachrichtendiensten bestätigt“, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) der „Leipziger Volkszeitung“. „Deswegen haben wir seit geraumer Zeit mit Bund und Ländern, ohne zu sehr zu dramatisieren, die Wachsamkeit hochgefahren“, sagte Schäuble weiter. Er warnte darum vor Panikmache. Die Sicherheitsbehörden kontrollierten verstärkt die Ein- und Ausreise an den Flughäfen und zeigten mehr Präsenz in der Öffentlichkeit. Die Bundesregierung werde „das Menschenmögliche tun“, um Attentate zu verhindern.

Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen in Deutschland würden laut Schäuble nicht vorliegen. Es gebe nicht den geringsten Grund, „uns von den Terroristen in Angst und Schrecken versetzen zu lassen“, sagte er. Die Nachrichtendienste hätten seit längerem Erkenntnisse darüber, dass Deutsche verstärkt ins Visier der Extremisten geraten seien, sagte er im Deutschlandfunk. Schäuble wendete sich auch direkt an die Terroristen. „Ihr könnt machen, was Ihr wollt. Wenn wir Euch erwischen, stecken wir Euch hinter Schloss und Riegel. Unterschätzt uns nicht“, sagte der CDU-Politiker.

Innerhalb von zwei Tagen waren gleich zwei an Deutschland gerichtete Drohungen der Terrororganisation al-Qaida im Internet aufgetaucht. Erst am Sonntag wurde auf einer Propagandaseite ein Video veröffentlicht, in dem sich erneut der aus Bonn stammende Islamist Bekkay Harrach zu Wort meldete. Unter dem Titel "O Allah, ich liebe dich" ist darin ein Standbild Harrachs alias "Abu Talha" mit verhülltem Gesicht zu sehen, während eine Tonaufnahme läuft. Sowohl das Bundesinnenministerium als auch das Bundeskriminalamt (BKA) bestätigten, dass das Video echt sei. Es handle sich um einen deutschen Text, der an Deutschland gerichtet sei, aber keine konkrete Anschlagsdrohung enthalte, sagte eine BKA-Sprecherin. Die Bundesanwaltschaft erklärte, es handele sich um eine "Art Missionierungsvideo".

Bereits am Freitag war allerdings ein Film aufgetaucht, in dem Harrach durchaus Drohungen aussprach. Der 32 Jahre alte ehemalige Student der Wirtschaftsmathematik tritt darin mit schulterlangen gegeltem Haar und schwarzem Anzug auf und fordert den sofortigen Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan, andernfalls drohe Deutschland nach der Wahl am 27. September ein "böses Erwachen".

Harrach ist den deutschen Sicherheitsbehörden bekannt. Dieses Jahr hat er sich nun schon das vierte Mal mit Drohvideos an die Bundesrepublik gerichtet. Nach Erkenntnissen der Behörden hat er Zugang zu Führungsstrukturen al-Qaidas.

Eine Videopassage zu Kiel gibt hingegen Rätsel auf. Wörtlich sagte Harrach: "Die Stadt Kiel bleibt unabhängig davon, wie lange der Konflikt in Deutschland dauert, eine sichere Stadt. Dafür stehe ich mit meinem Namen." Der Terrorexperte Berndt-Georg Thamm hält die Botschaft für einen Teil der "psychologischen Kriegsführung" des Islamisten. "Es geht darum, Verunsicherung zu schaffen. Jeder rätselt jetzt, was das mit Kiel soll", sagte Thamm. Über Kontakte Harrachs in die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt sei bisher nichts bekannt.

Dass in Kiel Terroristen auftauchten, ist jedoch bekannt. Weil er al-Qaida unterstützt hatte, war etwa der bis dahin dort lebende Deutsch-Marokkaner Redouane E. H. 2008 zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Laut Anklage hatte er Selbstmordattentäter für den Einsatz im Irak rekrutiert.

Unabhängig von den neuen Videos wurden die Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland derweil verschärft. An Flughäfen und großen Bahnhöfen patrouillieren vermehrt Bundespolizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen. Die Sicherheitsbehörden setzten damit allerdings nur ein seit Längerem geplantes Konzept um, das laut Bundesinnenministerium für die Zeit um die Bundestagswahl schon vor einigen Wochen beschlossen worden war.

Neben Schäuble warnten auch andere Politiker zur Wachsamkeit, warnten aber vor Panik. "Ich denke, dass unsere Sicherheitsbehörden das zu Recht sehr ernst nehmen. Das ist eine gezielte Ansage vor der Bundestagswahl", sagte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz.

"Wir müssen dieses Drohvideo sicherlich sehr ernst nehmen", warnte auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Im Deutschlandfunk fügte er hinzu, dass es aber "keine speziellen, konkreten Drohungen gegen bestimmte Ziele" gebe.

FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte, dass Deutschland nicht zulassen dürfe, dass Afghanistan gewissermaßen über Nacht wieder zu einem Rückzugs- und Organisationsgebiet der Terroristen der Welt werde. "Wir wollen so schnell wie möglich raus aus Afghanistan, aber nicht kopflos", sagte er.