Unentschlossenheit hat er der Kanzlerin vorgeworfen und dass sie eine völlig substanzlose Politik betreibe. Nein, nicht im sogenannten TV-Duell der Spitzenkandidaten, sondern am Tag danach hat sich Herausforderer Frank-Walter Steinmeier zu diesen unerhörten Attacken durchgerungen, die dem ödesten Fernsehsonntagabend seit Erfindung der Mattscheibe noch eine gewisse Restwürze verliehen hätten.

Die als Impresario fungierenden TV-Anstalten müssen sich fragen, ob es zielführend war, zwei Politiker, die bisher nicht als Temperamentsbündel aufgefallen sind, mit vier geltungsbewussten Moderatoren zu konfrontieren, alle zusammen in ein dem spanischen Hofprotokoll in nichts nachstehendem Regelwerk eingezwängt. Dass daraus eine lebendige Diskussion zwischen Regierungschefin und ihrem Vize entstehen könnte, deren Gemeinplätze ohnehin fast täglich durch die Medien verbreitet werden, hat ernsthaft niemand glauben können.

So blieben nicht nur ein paar Millionen von Monotonie und Überraschungsarmut betäubte Zuschauer zurück, sondern auch gänzlich desillusionierte mögliche Koalitionspartner. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat den Traum von Rot-Grün nun auch offiziell beerdigt. Die Umfragen sind ohnehin nie danach gewesen. Die FDP bangt immer lautstärker um die Chance auf Schwarz-Gelb. Die Linke kann noch ungezügelter lästern, weil zumindest offiziell niemand mit ihr plant. Allen gemeinsam ist das mulmige Gefühl, dass es nach dem 27. September so weitergeht wie davor: mit einer Großen Koalition, die sich stets bemüht, auf kleinstem gemeinsamen Nenner bis zur nächsten Wahl zu kommen.

Das ist keine Katastrophe für ein Land, das seit Konrad Adenauer dessen Slogan "Keine Experimente" verinnerlicht hat. Aber es wird so aufregend wie der vergangene Sonntagabend.