SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier unterstützt Vorstoß der Gewerkschaften auf IG-Bau-Tag.

Hamburg. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert einen deutlich höheren Mindestlohn als bislang. Die bisher formulierte Untergrenze von 7,50 sei nicht mehr zeitgemäß und müsse deutlich angehoben werden, erklärte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer beim Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) in Berlin. "Hungerlöhne sind auch in der Krise nicht hinnehmbar", sagte er. Im Vorfeld hatte er in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" bereits angekündigt, auf dem DGB-Kongress im Mai 2010 die bisherige Forderung "deutlich nach oben schrauben" zu wollen. Einen konkreten Betrag nannte Sommer allerdings nicht. Er appellierte zudem an die Bundesregierung, stärker gegen Lohnsenkungen oder gar -verzicht in der Finanzkrise vorzugehen.

Auf Lohn zu verzichten hatte auch der IG-Bau-Chef, Klaus Wiesehügel, abgelehnt. Dies würde "ganz extrem" der Binnennachfrage schaden, sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Jeder, der danach rufe, wolle das Land in eine noch tiefere Krise stürzen, sagte Wiesehügel.

Die geforderten Mindestlöhne sehe Wiesehügel nicht als höhere Belastung für die Unternehmen an. "Wenn dennoch Firmen ihn nicht zahlen, hat das nichts damit zu tun, dass sie zu sehr belastet würden durch die Mindestlöhne", so der IG-Bau-Chef. "Sie wollen nur das Maximale herausholen."

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier unterstützte die Gewerkschaftsforderung. Die Lohnspirale nach unten müsse aufgehalten werden, hatte er bereits am Sonntag beim Fernsehduell mit Bundeskanzlerin Angel Merkel (CDU) gesagt. Auf dem Gewerkschaftstag der IG Bau bekräftigte er vor den 500 Delegierten sowie zahlreichen Vertretern von SPD, CDU, Grüne und Linkspartei seine Worte. "Es kann nicht sein, dass die kleinen Leute die Krise ausbaden", sagte Steinmeier.

Angela Merkel (CDU) lehnte flächendeckende Mindestlöhne hingegen ab. Beim TV-Duell sagte die Kanzlerin, dass sie glaube, dass dabei Arbeitsplätze verloren gingen. Stattdessen will sie ordentliche Tarifverträge durchsetzen. Dort, wo es keine tariflichen Regelungen gebe, werde eine Kommission ermitteln, was ein fairer Lohn sei.

Zurzeit gibt es in Deutschland Mindestlöhne im Bau-, im Wach- und Sicherheitsgewerbe sowie für die Altenpfleger, die Abfallentsorger, die Textilreiniger und Bergbau-Spezialarbeiter. In Zukunft soll allerdings der im August vom Bundeskabinett eingesetzte Mindestlohn-Hauptausschuss prüfen, in welchen weiteren Branchen sie eingeführt werden sollen. Gestern hat sich der Ausschuss unter dem Vorsitz des früheren Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi (SPD) zu seiner konstituierenden Sitzung in Berlin zusammengefunden. Seine endgültige Arbeit wird er jedoch erst nach der Bundstagswahl aufnehmen. Neben Dohnanyi gehören ihm auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Hamburger Stadtmission, Stephan Reimers, sowie je zwei Vertreter von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und der Wissenschaft an, darunter Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und der DGB-Vorsitzende Sommer.

Sollte der Hauptausschuss in Zukunft feststellen, dass in einer Branche Mindestlöhne notwendig sind, wird er Fachausschüsse einberufen, welche sie aushandeln werden. Er kann jedoch nur tätig werden, wenn die Tarifbindung in der betreffenden Branche unter 50 Prozent liegt.

Der stellvertretende Vorsitzende, Stephan Reimers, rechnet auf jeden Fall damit, dass von dem Gremium Impulse für Lohnuntergrenzen in weiteren Wirtschaftsbereichen ausgehen werden. Um welche es dabei gehen könnte, sei aber noch offen. Es komme darauf an, eine Balance zu finden zwischen einem angemessenen Lohn und dem Erhalt sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze, sagte Reimers. Er persönlich sei der Auffassung, "dass ein niedriger Lohn einer langjährigen Arbeitslosigkeit vorzuziehen ist". Er verwies darauf, dass besonders im Dienstleistungssektor die Tarifbindung weiter abnehme. In Ostdeutschland liege sie zurzeit nur noch bei rund 30 Prozent. Im Friseurhandwerk, im privaten Transportgewerbe, in der Landwirtschaft oder im Gaststättengewerbe würden teilweise Stundenlöhne zwischen drei und fünf Euro gezahlt. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hatte auch die Fleischerei-Industrie ins Gespräch gebracht.