Am Tag danach waren sich alle einig. Das Fernsehduell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier war für den Chef des ARD-Hauptstadtbüros Ulrich Deppendorf “kein wirkliches Duell, sondern ein Austausch von bekannten Argumenten zweier Politiker, die seit vier Jahren dieses Land gemeinsam regiert haben“.

Hamburg. "Wer gehofft hat, dass es zur Sache geht, ist enttäuscht worden", findet Sat 1-Chefredakteur Peter Limbourg, der selbst zu den Moderatoren des Duells zählte. "2002 und 2005 haben beide Kandidaten auf Sieg gespielt", sagt ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. "Für Steinmeier geht es diesmal nur um Platz zwei." Das Interesse des TV-Publikums war überschaubar: Nur 14,23 Millionen Zuschauer sahen den Meinungsaustausch zwischen Kanzlerin und Außenminister. 2005, als sich Schröder und Merkel zofften, waren es noch 20,98 Millionen gewesen.

Von der schlechten Quote auf Politikverdrossenheit zu schließen wäre aber voreilig. Im Internet war jede Menge los. "Während des Duells wären wegen des starken Ansturms Bild.de, Spiegel Online und Tagesschau.de beinah in die Knie gegangen", sagt Klas Roggenkamp von der Online-Plattform Wahl.de. Auf Abendblatt .de legte die Zahl der Seitenaufrufe auf 2,4 Millionen zu. An normalen Sonntagen sind es nur 900 000.

Beim Nachrichtendienst Twitter seien während des Duells 30 000 Meldungen zu dem Thema aufgelaufen, sagt der Journalist und Medienwissenschaftler Robin Meyer-Lucht. Dies sei ein ungewöhnlich hoher Wert für Politiksendungen. Allerdings gefiel auch den meisten Twitter-Nutzern das Duell nicht: "Sie kritisierten die Farblosigkeit der Kandidaten und den Moderationsstil", sagt Meyer-Lucht.

Auch der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister war von dem Duell nur mäßig begeistert. "Das Format ist mit 90 Minuten viel zu lang", sagt er. "Dennoch kamen wichtige Politikfelder wie Technologie, Bildung, Europa und Familie gar nicht zur Sprache."

Hachmeister glaubt zu wissen, wie es besser geht. Er gehört zusammen mit anderen unabhängigen Journalisten und Wissenschaftlern der "Kommission zur Kanzlerdebatte" an. Ihr Vorbild ist die "Commission on Presidental Debates", die in den USA die Duelle der Präsidentschaftskandidaten nicht nur bewertet, sondern auch veranstaltet. Hachmeisters Kommission kann nur Empfehlungen aussprechen. Schon nach dem Duell 2005 regte sie an, wie schon 2002 zu zwei Sendungen zurückzukehren. Sie sollten nicht länger als 60 Minuten dauern und nur von zwei Moderatoren geleitet werden.

Dieser Rat wurde nicht beherzigt. "Es gibt da ein gemeinsames Gefängnis von politischer Klasse und Politjournalismus", ärgert sich der Medienwissenschaftler. Die Sender können zwei Duellen mit zwei Moderatoren mittlerweile aber einiges abgewinnen. Die Chefredakteure von ZDF und Sat.1, Brender und Limbourg, halten eine solche Lösung für ebenso wünschenswert wie der Leiter des ARD-Hauptstadtbüros, Deppendorf. "In zwei Duellen", sagt Limbourg, "könnte man alle Themen unterbringen."