Bundeswehrverband stellt sich hinter Oberst Klein. Berlin protestiert gegen Vorverurteilung.

Hamburg/Kabul. Noch ist der Bericht der Nato-Untersuchungskommission über die Tragödie von Kundus nicht abgeschlossen, da liegt der Report der vom afghanischen Präsidenten Hamid Karsai eingesetzten Kommission schon vor.

Und dieser Bericht entlastet die Bundeswehr, wie die ARD meldete. Zwar seien Zivilisten unter den Todesopfern des von der Bundeswehr angeforderten US-Luftangriffs auf zwei Tanklastzüge, die von den Taliban gekapert worden waren. Doch die Verantwortung für diese Opfer liege bei den Taliban. Als diese mit den Fahrzeugen im Kundus-Fluss stecken geblieben seien, hätten die Taliban weitere ihrer Kämpfer sowie Dorfbewohner herangeholt. Zivilisten hätten versucht, das Dieselöl aus den Tanklastwagen abzuzapfen. Dass der Luftangriff nicht in einem Dorf, sondern an einem Fluss in unbewohntem Gebiet erfolgt sei, entlaste die Bundeswehr. Neue Opferzahlen nannte die ARD nicht. Der Bericht soll an diesem Sonnabend an Karsai übergeben werden.

Die Bundesregierung protestierte derweil formal im Ausland gegen eine Vorverurteilung des deutschen Kommandeurs, der den Angriff angefordert hatte. Die deutschen Botschafter wurden in den wichtigen EU- und Nato-Staaten mit sogenannten Demarchen vorstellig. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner, sagte, man bitte die Partner, den Luftschlag nicht zu kritisieren, bis die Untersuchungen abgeschlossen seien. Man erwarte von ihnen Fairness.

Die "Financial Times Deutschland" meldete, in Paris sei der diplomatische Vorstoß der Deutschen mit Unverständnis aufgenommen worden. "Was soll ein Minister denn sagen, wenn er von einem solchen Schlag mit 80 Toten, darunter Zivilisten, unterrichtet wird?", habe ein französischer Diplomat gefragt.

Das Bundesverteidigungsministerium in Berlin kritisierte derweil den US-Oberkommandeur in Afghanistan, General Stanley McChrystal. Dieser hatte den deutschen Oberst Georg Klein für seine Entscheidung angegriffen und in erste Besprechungen einen US-Journalisten eingebunden. Das sei "ein Unding", sagte Ministeriumssprecher Thomas Raabe.

Der Deutsche Bundeswehrverband stellte sich demonstrativ hinter Oberst Klein. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte in Berlin, man dürfe Klein und seine Soldaten "nicht im Regen stehen lassen". Kirsch äußerte die Vermutung, dass es sich bei der Kritik aus dem Ausland um "Retourkutschen" für frühere deutsche Kritik an Luftschlägen der Alliierten handle, bei denen zivile Opfer zu beklagen gewesen seien. Der Bundeswehrverband gewähre Klein "Rechtsschutz in voller Bandbreite", sagte Kirsch und forderte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zu einem "spürbaren Signal der Rückendeckung" auf.

Indessen ist die Zustimmung in der deutschen Bevölkerung zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan laut aktuellem ARD-Deutschland-Trend überraschend gestiegen. Trotz der Diskussion um das Bombardement bei Kundus stimmten 37 Prozent aller Beteiligten einem Verbleib der deutschen Soldaten in Afghanistan zu - zwölf Prozent mehr als im Juli. Die Anhänger der Grünen befürworteten den Einsatz der Bundeswehr mit 50 Prozent am stärksten, die der Linken mit 22 Prozent am wenigsten.

Vor dem Hintergrund der Bundestagswahl ist der Afghanistan-Einsatz jedoch nur für vier Prozent ein "entscheidendes Thema", für 58 Prozent der Befragten ist es hingegen "kein wichtiges Thema".