Der Einsatz am Hindukusch sei in den vergangenen Jahren nur unzureichend begründet gewesen. Nato dementiert die Existenz eines Zwischenberichts zu tödlichem Luftangriff.

Berlin. Die Nato hat die Existenz eines vorläufigen Berichts der Afghanistan-Schutztruppe Isaf zu dem umstrittenen Luftangriff in Kundus dementiert. Nato-Sprecher James Appathurai sagte in Brüssel: "Ich habe heute mit Isaf gesprochen, und mir ist versichert worden, dass es keinen Bericht bei Isaf oder der Isaf gibt, der irgendwelche Schlussfolgerungen oder Einschätzungen zu den bei dem Vorfall in Kundus ergriffenen Prozeduren trifft." Appathurai reagierte damit auf einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Das Münchner Blatt hatte unter Berufung auf einen ranghohen Nato-Offizier geschrieben, der verantwortliche deutsche Oberst hätte den Angriff nach Einschätzung der Isaf niemals anordnen dürfen; es sei "sonnenklar", dass der Befehlsweg von Georg Klein nicht eingehalten worden sei.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte gestern, für die Beurteilung des Bombardements von zwei Tanklastzügen, bei dem Dutzende Menschen getötet wurden, müsse man die Untersuchungen abwarten: "Wir sind noch mittendrin." Jungs Sprecher teilte mit, dass Oberst Klein Afghanistan noch im September verlassen wird. Seine Dienstzeit ende dann "regulär".

Nach Auffassung von Winfried Nachtwei war Georg Klein berechtigt, den Lufteinsatz anzufordern. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen übte dafür scharfe Kritik an Jung. Was die Kommunikation anbetreffe, habe der Minister vollkommen versagt. Angesichts eines solchen Ereignisses habe "die Eingrenzung der politischen Kollateralschäden" oberste Priorität. Und zwar in Kundus und in Deutschland. Andererseits sei es "wohltuend, dass endlich mal Krach in der Bude" sei. Es sei höchste Zeit, dass man sich in der Schutztruppe auf eine gemeinsame Strategie einige. An erster Stelle müsse der Schutz der Zivilbevölkerung stehen.

Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf der Bundesregierung vor, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr "über Jahre" nicht ausreichend begründet zu haben und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung darüber "bewusst ausgewichen" zu sein. Roth forderte für die nächste Legislatur die "zügige" Einleitung eines Abzugsplans, Nachtwei forderte die Einsetzung einer unabhängigen Experten-Kommission. Es habe sich gezeigt, dass die jetzige Bundesregierung "unfähig" sei, eine Bestandsaufnahme zur Entwicklung der Lage am Hindukusch vorzulegen.

Die Befreiung eines "New York Times"-Reporters durch britische Kommandoeinheiten am Mittwoch hat unterdessen für Zorn unter den einheimischen Journalisten gesorgt. Denn während Stephen Farrell unversehrt aus der Gewalt der Taliban gerettet werden konnte, kam der afghanische Journalist und Übersetzer Sultan Munadi im Kugelhagel ums Leben. Der afghanische Journalistenverband warf den Nato-Soldaten vor, die gewaltsame Befreiungsaktion gestartet zu haben, ohne andere Kanäle ausgeschöpft zu haben.

Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl dringen Deutschland, Großbritannien und Frankreich auf eine internationale Afghanistan-Konferenz. Ein entsprechender Brief wurde Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon am Mittwoch übergeben. Die Wahl selbst sorgt weiter für Diskussionen. Die von der Uno unterstützte Beschwerdekommission erklärte erste Resultate für ungültig, nach Angaben des deutschen EU-Wahlbeobachters Gunter Mulack ist es zu "wirklich großflächigem Betrug" gekommen. Mehr als 700 000 der bislang 5,5 Millionen ausgezählten Stimmen seien "fragwürdig", sagte Mulack in Berlin.