Der SPD-Politiker Thomas Oppermann hat einen Umbau des deutschen Bildungssystems gefordert.

Hamburg. Mit Blick auf die mangelnde Integration mancher Zuwandererkinder sagte Oppermann, der im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier für die Innenpolitik zuständig ist, bei einem Besuch des Abendblatts in Hamburg: "Bildung wird in Deutschland von den gebildeten Familien auf ihre Kinder vererbt. Die Zuwanderer haben wir vernachlässigt."

Deutschland sei keine offene Gesellschaft wie die Vereinigten Staaten von Amerika, "wo Zuwanderer der ersten Generation schuften, um ihren Kindern eine gute Bildung, eine Ausbildung und den sozialen Aufstieg zu verschaffen", sagte der Sozialdemokrat, der von 1976 an zwei Jahre unter anderem für die Aktion Sühnezeichen in den USA tätig war. Oppermann fügte hinzu, in Deutschland lebten Zuwanderer nun schon in der dritten oder vierten Generation "und sie stecken fest. Die größte Herausforderung, die wir haben, ist, ihnen endlich Bildungschancen zu geben. Wir haben es zugelassen, dass Parallelgesellschaften entstanden sind." Der gelernte Jurist und frühere Richter in Hannover und Braunschweig, der 1998 bis 2003 Minister für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen war und seit Ende November 2007 das Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion innehat, betonte: "Es ist meine Grundüberzeugung, dass jeder Mensch - und vor allem jeder Junge und jedes Mädchen - durch Bildung und Ausbildung die Chance bekommen muss, den Lebensunterhalt mit eigener Anstrengung zu verdienen. Das ist unser Ideal." Die Chancen dafür müsse der Staat organisieren. Der größte negative Faktor für das deutsche Bildungssystem sei die "Medienverwahrlosung" - "die Kinder, die der Spielkonsole ausgeliefert sind, sind für das Bildungssystem schwer zu aktivieren". Forschungen hätten ergeben, dass Kinder, die vier, fünf Stunden Medienkonsum haben, "bei der Bildung katastrophal abbauen und oft den Schulabschluss nicht schaffen", sagte der vierfache Vater. Der kreative Ansatz der SPD sei, dass man Bildung und Integration in einem Ministerium bündele. "Über die Integration nämlich, für die der Bund zuständig ist, haben wir neue Hebel, um in die Bildungspolitik der Länder tief einwirken zu können."

Das Kooperationsverbot, das dem Bund untersagt, die Länder in der Bildungspolitik finanziell zu unterstützen, sei "ein schwerer Konstruktionsfehler in unserer Verfassung, die ansonsten fast makellos ist und uns 60 Jahre Demokratie beschert hat. Um dies zu ändern, wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit vonnöten." Oppermann fordert: "Wir brauchen die Ganztagsschule in Deutschland, um Kinder aus der Medienverwahrlosung herauszuholen. Wir brauchen zudem eine höhere Krippen-Versorgungsquote. Nur wenn wir dies erreichen, können wir die Schulabbrecherquote senken. In den ersten acht Jahren werden die Grundlagen für Kreativität, Intelligenz und Sprachentwicklung gelegt. Wir haben ausgerechnet in dem Abschnitt unseres Bildungssystems, wo am stärksten über die Chancen entschieden wird, die schlechteste finanzielle Ausstattung. Das muss umgebaut werden."

Thomas Oppermann, Jahrgang 1954, ist bei der SPD Experte für Innenpolitik.