Dieter Althaus bleibt vorerst im Amt. Aber seine potenzielle Nachfolgerin gibt sich gnadenlos. Christine Lieberknecht drängt ins Amt.

Erfurt. Trotz seines Rücktritts will Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) vorerst weiter die Amtsgeschäfte führen. Er verweist auf die Landesverfassung, nach der er bis zur Berufung einer neuen Regierung im Amt bleibe. Er sagte, er übernehme die Verantwortung für das Wahlergebnis. Zu dem Vorschlag, dass Sozialministerin Christine Lieberknecht seine Nachfolge übernehmen soll, sagte Althaus nichts.

Die Thüringer SPD wertet den aufbrausenden Machtkampf in der CDU als „letztes Aufbegehren des Systems Althaus“. Die Gruppe um den bei der Wahl gescheiterten und zurückgetretenen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) könne nicht von der Macht lassen, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Jochen Staschewski. Die CDU müsse schnell entscheiden, mit welchem Personal sie in die Verhandlungen über eine künftige Regierung gehen wolle. Die SPD plant am Donnerstag das zweite Sondierungsgespräch mit der CDU über eine mögliche Koalition.

Althaus sagte zu seinem wortkargen, schriftlichen Rücktritt in der vergangenen Woche: Es gebe eine Reihe persönlicher Gründe, auf die er nicht näher eingehen wolle, sowie politische Entscheidungen. Er verteidigte die Art seines Rücktritts, den er nur mit seiner Familie abgestimmt habe. „Ich würde das genauso wieder tun.“ Althaus hatte mit nur einem Satz die Öffentlichkeit und einen kleinen Kreis der Minister informiert. Er hatte schriftlich erklärt: „Mit sofortiger Wirkung trete ich als Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und als Landesvorsitzender der CDU Thüringen zurück.“ Althaus bestritt, dass er seiner Stellvertreterin, Finanzministerin Birgit Diezel, die Amtsgeschäfte übertragen habe. Dazu gebe es keine schriftlichen Unterlagen. Er habe auch am Wochenende „für das Land“ gearbeitet – unter anderem habe er seine Dienstpost geöffnet.

Die thüringische Sozialministerin Christine Lieberknecht (CDU) beansprucht das Althaus-Amt für sich. Sie war von der stellvertretenden Regierungschefin Birgit Diezel vorgeschlagen worden. Lieberknecht sagte am Dienstag im Deutschlandradio Kultur, mit der Erklärung von Dieter Althaus, „heute die Kabinettssitzung zu leiten, ist eine große Verwirrung entstanden.“ Laut Verfassung stehe ihm das zu, doch die Verfassungsfrage sei das eine, die politische Wahrnehmung das andere. „Auf jeden Fall ist die Ära von Althaus mit dem Rücktritt, den er selbst erklärt hat, zu Ende. Jetzt geht es darum, nach vorn zu schauen.“

Lieberknecht (51) ist Pfarrerin, gilt als fair und entschlossen, die Landtagsfraktion zusammenzuhalten. Für Freund und Feind lässt sie sich dabei nur schwer ausrechnen. Nicht zuletzt deshalb hat sie Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) bei der Kabinettsreform im vergangenen Jahr als Sozialministerin berufen. Damit hoffte er, sie mehr in die Pflicht nehmen zu können als zuvor als Fraktionsvorsitzende. Sie stand auch loyal zu ihm – bis er jetzt den Bogen überspannte.

Die gebürtige Weimarerin war schon in ihrer Jugend aufmüpfig. Als Schülerin flog sie aus dem Internat. Ihre kritische Haltung in der DDR führte sie zum Theologiestudium. In der Umbruchzeit 1989 verfasste sie mit drei Gleichgesinnten den „Brief aus Weimar“, der eine Reform der Ost-CDU forderte. Bereits 1990 wurde sie Kultusministerin und war im Kabinett maßgeblich am Sturz des damaligen Ministerpräsidenten Josef Duchac beteiligt, dessen Nachfolge dann Bernhard Vogel antrat. Seitdem wird Lieberknecht mit dem Ruf als „Königsmörderin“ konfrontiert.

Aus ihrer Lebensanschauung macht die Theologin, die mit einem Pfarrer verheiratet ist, keinen Hehl. Sie sieht sich zuerst als Christin, dann als Demokratin und erst danach als Politikerin. Dass sie in ihrem Beruf auch mal Härte zeigen muss, sieht sie nicht als Widerspruch zu ihrem christlichen Weltbild. „Auch in der Bibel gibt es mal ein Schwert und einen Wutausbruch.“

Am meisten kam ihrem Naturell die Position der Landtagspräsidentin von 1999 bis 2004 entgegen. In dieser Zeit errang sie durch ihre offene und faire Art auch den Respekt der Opposition. Als Ministerin führte sie die Konsenssuche mit Verbänden häufig an den Rand ihrer Kapazitäten. An etlichen Tagen übernachtete sie sogar im Büro.

Parteiinterne Kritiker befürchten, die CDU könnte mit Lieberknecht an der Spitze an Kontur verlieren. Sie empfinden sie als zu kompromissbereit und vermissen die notwendige Durchsetzungskraft. In ihren Zeiten als Ministerin konnte sie bislang nur wenig Akzente setzen.

Aus diesem Grund wird sie auch von der Opposition angegriffen, die ansonsten jedoch große Stücke auf sie hält. Selbst Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow und SPD-Chef Christoph Matschie würdigen ihre verbindliche und sachliche Art.