Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister sieht nach der Wirtschaftskrise eine große Chance für Ostdeutschland.

Berlin. Klaus von Dohnanyi hat es von Anfang an gesagt: Zu den grundlegenden Schwächen des Aufbaus Ost gehört es, dass die großen Betriebe in den neuen Ländern nur "verlängerte Werkbänke" sind, weil die Führungs- und damit auch die Forschungskapazitäten weitgehend in Westdeutschland liegen.

Trotzdem sieht Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister für Ostdeutschland große Chancen, wenn die Wirtschaftskrise wieder abklingt. Außer einer exzellenten Infrastruktur gebe es eine große Nähe zu den Wachstumsmärkten in Osteuropa und Russland, sagte der SPD-Politiker gestern in Berlin, wo das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) eine Studie zum ostdeutschen Entwicklungsprozess seit 1990 vorstellte. Dohnanyi wiederholte allerdings auch seine seit der Wende geradezu mantra-artig vorgetragene Kritik, dass es ein Fehler der Politik gewesen sei, den strukturschwachen Regionen nach der Wiedervereinigung einen generellen Vorrang einzuräumen: Nur die Förderung wissensbasierter industrieller Kerne, sogenannter "Cluster", werde zukunftsorientierte Arbeitsplätze im Osten schaffen.

Auch IWH-Präsident Ulrich Blum ist überzeugt, dass Ostdeutschland eigene starke und fortschrittliche Schlüsselindustrien braucht, die mit stabilen Sozialsystemen Hand in Hand gehen. Chancen sieht Blum auf dem Feld nachwachsender Rohstoffe, in der grünen Gentechnik und bei den erneuerbaren Energien. In diesen Bereichen könne der Osten beim nächsten Technologiezyklus durchaus einen Vorsprung haben. Um für diese wichtige Ansiedlungen attraktiv zu sein, sollten die Regionen auch ihre Kultureinrichtungen pflegen, mahnte Blum. "Wenn ein Standort in der kulturellen Diaspora liegt, hat man Schwierigkeiten, Führungskräfte zu gewinnen!" Angesichts der demografischen Entwicklung in den neuen Ländern zeichne sich ein Fachkräftemangel ab, betonte Blum.

Der Forscher verwies darauf, dass der Aufschwung der westdeutschen Wirtschaft Mitte der 1990er-Jahre ohne hinzugekommene qualifizierte Fachkräfte aus dem Osten nicht möglich gewesen wäre. Dennoch sei der Aufbau Ost "eine grandiose Leistung". In seiner Datensammlung stellt das IWH statistische Angaben aus verschiedenen Quellen zusammen. Nachgezeichnet wird unter anderem die Entwicklung der Wirtschaftsleistung, der Bevölkerungsstruktur und von Einkommen und Vermögen.

Klaus von Dohnanyi nutzte die Gelegenheit, zur Mäßigung aufzurufen. Er erkenne vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise eine gewisse Tendenz zu einer "ständigen Diffamierung" von Managern und Bankern, sagte Dohnanyi, und halte das für "sehr gefährlich". Gerade jetzt werde unternehmerische Kraft gebraucht. Der Staat könne bei der Wirtschaftsentwicklung helfen, die Unternehmer aber nicht ersetzen.