60 Jahre Bundestag: Bundestagspräsident Lammert erinnerte an den Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte und an das nötige Engagement der Bürger.

Hamburg. Nach der Nazi-Diktatur war es der Aufbruch in eine neue Zeit: Vor 60 Jahren trat der Bundestag zu seiner ersten Sitzung in Bonn zusammen. Damit habe eine "Erfolgsgeschichte" mit einer beispiellosen Zeit des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands begonnen, die damals kaum jemand für möglich gehalten habe, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gestern bei einer Feierstunde im ehemaligen Plenarsaal in Bonn. Nach Gründung der Bundesrepublik war der erste Deutsche Bundestag am 7. September 1949 in Bonn zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen.

Nach leidvollen früheren Erfahrungen mit Parlamenten wie in der Weimarer Republik erwies sich der Bundestag als stabiles legislatives Organ einer neu gegründeten Republik und eines demokratischen Rechtsstaats. Lammert rief die Bürger auf, politischen Streit und "zähe Entscheidungsprozesse" auszuhalten. Demokratie sei kein Verfahren zur Vermeidung von Streit, sondern "zur Herbeiführung mehrheitlich getragener Lösungen". Da Demokratie Engagement erfordere, appellierte Lammert an die Bürger, am 27. September an der Bundestagswahl teilzunehmen.

Zur Feierstunde mit abschließend gemeinsam gesungener Nationalhymne war der alte und nahezu unveränderte Bonner Plenarsaal voll besetzt. Die Spitzen der deutschen Politik mit Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie aktive und frühere Parlamentarier waren an den Rhein gekommen. Lammert berichtete, dass der Bundestag bis zum Umzug 1999 nach Berlin 8547 Gesetzentwürfe vorgelegt und 5505 Gesetze beschlossen hat. Bonn sei nicht Weimar gewesen, Berlin sei in mancher Hinsicht Bonn geblieben, sagte der Parlamentspräsident. "Das eine ist so beruhigend wie das andere."

Bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 schafften 410 Abgeordnete den Sprung ins Parlament, davon acht aus West-Berlin. Zehn parteipolitische Gruppierungen gelangten ins Parlament. Stärkste Fraktion wurde die Union mit 142 Mandaten, gefolgt von der SPD mit 136 Mandaten und der FDP mit 53 Mandaten. Es wurden acht Fraktionen gebildet. Nur 28 Frauen gehörten dem ersten Bundestag an. Wahlberechtigt waren alle Bundesbürger ab 21 Jahren.

Die konstituierende Sitzung am 7. September 1949 in dem in nur fünf Monaten kurz zuvor errichteten Plenarsaal eröffnete der 73-jährige Paul Löbe (SPD), ältester Abgeordneter und damit Alterspräsident. Der SPD-Politiker war von 1920 bis 1932 Präsident des Reichstages. Die Erinnerungen an das Nazi-Regime und den Krieg lagen damals noch wie ein Schatten über der ersten Sitzung. Die Aufgabe sei es nun, "unser Vaterland" mit einer stabilen Regierung, einer gesunden Wirtschaft und einer neuen sozialen Ordnung zu "einer neuen Blüte und neuem Wohlstand" zu führen, sagte damals Löbe. Am 15. September 1949 wählte der Bundestag Konrad Adenauer (CDU) zum Bundeskanzler.

Für Bonn waren der Hauptstadtstatus und der Bundestag eine große Herausforderung. An die Bürger erging der Appell, Wohnungen für die Abgeordneten und Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Der Plenarsaal wurde als Anbau an der zum Foyer umgestalteten ehemaligen Turnhalle der Pädagogischen Akademie errichtet. Nach dem Abriss des ersten Plenarsaals tagte das Hohe Haus von 1986 bis 1992 im Wasserwerk, bevor es 1992 in den neu errichteten Plenarsaal umzog. 1999 fand das Parlament im Berliner Reichstagsgebäude seine Heimat.