Gegeißelt wird vor allem die Gier der Manager. Mit Angriffen auf den politischen Gegner halten sich die Festredner so kurz vor der Wahl auffallend zurück.

Abensberg. Die Luft schwitzt. Der Geruch von Schweiß, Zigaretten und Sauerkraut hängt zwischen den Biertischen. Tausende Besucher sind ins Hofbräu-Zelt auf das Volksfest Gillamoos in Abensberg bei Regensburg gekommen. Aus glasigen, angetrunkenen Augen blicken sie schon jetzt, morgens um 10 Uhr; der politische Frühschoppen hat noch nicht begonnen. "Wir hocken seit acht da", sagt Emilie Schlagbauer aus Schwabstetten. Seit Jahrzehnten sitzt sie am Gillamoos-Montag im Zelt der CSU. Dass nebenan SPD, FDP, Freie Wähler und Grüne Redner aufbieten, interessiert sie nicht. Emilie Schlagbauer hat einen trockenen Hals. "Ich darf doch nicht verpassen, wenn er kommt", erklärt sie, warum sie kein Bier nachbestellt hat. Endlich, die Blaskapelle stimmt den bayerischen Defiliermarsch an. "Wenn ich jünger wäre, würde ich ihn heiraten", jubelt Frau Schlagbauer, als Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nach der zweiten Wiederholung des Marschs an seinem Platz angekommen ist.

Zur gleichen Zeit im Zelt der SPD. Die Kapelle ist mit dem Defiliermarsch gerade einmal durch, da steht Finanzminister Peer Steinbrück schon am Tisch der Honoratioren. Die Gillamooser Dirndlkönigin reicht dem Norddeutschen eine Maß Bier, die er fast austrinkt. Danach legt Steinbrück das Jackett seines Nadelstreifen-Anzugs ab, krempelt die Hemdsärmel hoch und steigt aufs Podium.

"Wo ist der Maßkrug?", donnert Karl-Theodor zu Guttenberg nach wenigen Sekunden mit ungewöhnlich markant tiefer Stimme ins Mikrofon. Tosender Applaus brandet auf. Guttenberg lässt sich einen Liter Bier auf die Bühne bringen und trinkt. "Anders als bei der SPD und bei den Grünen steht hier ein echter Bayer vor Ihnen", sagt Guttenberg mit Blick auf Peer Steinbrück und den Grünen-Politiker Fritz Kuhn nebenan. Ab nun ist es fast egal, was er sagt. Guttenberg bedient dennoch das Volksempfinden, er geißelt Boni für erfolglose Manager und fordert einen "Malus". "Wenn jemand scheitert, muss er Verantwortung tragen." Einmal mehr kehrt er seine skeptische Haltung im Streit um Opel heraus. "Die Blaskapelle ist für dieses Zelt systemrelevanter als so mancher Autokonzern für die Zukunft dieses Landes", sagt er. Opel doch noch in die Insolvenz zu schicken werde aber nicht erwogen, stellt er später im Gespräch mit Journalisten richtig. Geschickt versteht es Guttenberg, sich mit den Zuhörern gegen die Politik zu solidarisieren. Im Hinblick auf den Wahlkampf sagt er: "Den Affenzirkus in Berlin halt ich jetzt leichter aus, nachdem ich selbst ein Affe bin." Nur einmal erwähnt er Steinbrück - in positivem Zusammenhang. Der Wahlkampf bleibt im Gegensatz zum Bier extrem schaumgebremst.

Steinbrück lässt es sich derweil im Jungbräuzelt nicht nehmen, gegen den Polit-Star zu frotzeln. "Was die Schönheit betrifft, da kann ich gegen den Guttenberg so lange nicht gewinnen, wie er den Mund hält." Unvermittelt steigt auch Steinbrück ins operative Geschäft der Finanzpolitik ein, verteidigt die Erbschaftssteuer und wettert gegen Steuersenkungsversprechen. Der Hamburger beherrscht die Sprache des Bierzelts, doch Stimmung kommt nicht auf.

Bierzeltwahlkampf gab es auch auf dem Keferloher Pferdemarkt in Grasbrunn bei München. Mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer. Der bayerische Ministerpräsident ergriff zu politischen Themen erst gar nicht das Wort. Den 1500 Zuhörern erklärt er den Grund: "Inhaltlich sage ich jetzt präventiv nix, denn ich möchte eine friedliche Woche haben." Und eigentlich war Merkel am Wochenende aus ihrem bisherigen Wahlkampf-Schlafwagen ausgestiegen und hatte erstmals den Ton gegen die SPD verschärft. Doch bei dem steigt sie wieder auf die Bremse. Auch in Merkels Rede ist weder von Wahl noch von Kampf etwas zu bemerken. Den Wahlgegner SPD erwähnt die Kanzlerin ebenso wenig wie den Wahltermin am 27. September. Die schärfste Worte richtet sie gegen Manager-Gier: "Eine Branche, die solchen Schaden angerichtet hat, von der erwarte ich, dass die Akteure nicht immer nur an sich selbst denken, sondern auch an die Gemeinschaft", sagt Merkel. Die Quittung des Publikums: Der Schlussapplaus fällt wesentlich schwächer aus als der Begrüßungsjubel bei Merkels Ankunft.