Zumindest in einer Bewertung hat der Wahlsonntag eine ganz große Koalition geschmiedet: Im “Schlafwagen“, so heißt es unisono, komme Kanzlerin Angela Merkel nicht an ihr Ziel einer zweiten Amtszeit.

"Die CDU muss raus aus ihrem Schlafwagen", fordert Grünen-Chefin Claudia Roth, und Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sekundiert, die CDU dürfe "nicht im Schlafwagen durch den Wahlkampf" rollen. Schon einen Tag zuvor hatte Merkels Parteifreund Günther Oettinger betont, "CDU und CSU hätten gute Chancen, aber im Schlafwagen werden wir nicht ankommen."

So viel Wort-Recycling passt in den Wahlkampf 2009, der bislang weder durch rhetorische Brillanz noch durch besondere inhaltliche Tiefe aufgefallen ist. Sosehr die Empörung der Opposition verständlich ist, die sich mit programmatischen Impulsen abmüht, so verständlich bleibt die Strategie der Kanzlerin. Sie hat aus dem Wahldesaster von 2005 gelernt, als sie mit einer offensiven Reformrhetorik fast auf der Strecke geblieben wäre. Nun setzt sie voll auf ihre Popularität und fährt den Umfragen zufolge gut damit. Eine zu leidenschaftliche Debatte von Inhalten hingegen droht die letzte verbliebene Volkspartei an ihren Rändern zu zerfasern: Setzt Merkel zu sehr auf Reformen, vergrätzt sie linke Wähler, betont sie hingegen das Sozialdemokratische in der Union, stärkt sie ohne Not die FDP.

Dass man sehr wohl mit einem rein personalisierten Wahlkampf ans Ziel gelangt, hat Ole von Beust vorgemacht. Der gewann 2004 sensationelle 47,2 Prozent, nachdem er Hamburg mit inhaltsfreien "Michel-Alster-Ole"-Plakaten zugekleistert hatte. Und auch der Schlafwagen-Vorwurf muss Merkel keineswegs schrecken. Mit diesen Worten kritisierte Jürgen Todenhöfer 1978 Helmut Kohl. Letzterer wurde bekanntlich später für 16 Jahre Kanzler, Todenhöfer schaffte es bis zum abrüstungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion.