Müntefering hält den Kampf ums Kanzleramt jetzt wieder für “offen“. Angela Merkel habe keinen Amtsbonus.

Berlin. Der Parteivorsitzende kam allein aus der Präsidiumssitzung zur Pressekonferenz. Die drei SPD-Spitzenkandidaten aus Sachsen, Thüringen und dem Saarland waren zwar in Berlin, mussten sich aber mit der Gretchenfrage im Willy-Brandt-Haus nicht löchern lassen. Und die heißt bekanntlich: Wie haltet ihr es jetzt mit der Linkspartei?

Aus dem Mund von Franz Müntefering hörte sich die Antwort gestern so an: "Wir wollen den Ministerpräsidenten stellen." Oder so: "Wir wollen, dass Dieter Althaus und Peter Müller nicht mehr Ministerpräsidenten sind." Aber auch so: "Wir werden einen Ministerpräsidenten der Linken nicht wählen."

Wirklich aufschlussreich waren diese Bemerkungen allerdings nicht. Wer dem Parteivorsitzenden zuhörte, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Franz Müntefering die Verhältnisse gerade ein bisschen zurecht biegt: Im Saarland soll seine SPD in einer rot-rot-grünen Koalition also den Ministerpräsidenten stellen, weil sie besser abgeschnitten hat als die Linke - "Oskar Lafontaine ist deutlich als Dritter durchs Ziel gegangen!" - , aber in Thüringen soll das Kräfteverhältnis keine Rolle spielen. Im Gegenteil. Für eine Regierungsbildung dürfe "die Wahlarithmetik" dort nicht ausschlaggebend sein, hat Müntefering gestern Mittag in Berlin erklärt.

Vorhang zu und alle Fragen offen, möchte man sagen, denn dass die Koalitionsentscheidungen in Thüringen oder im Saarland vor der Bundestagswahl fallen werden, glaubt in Berlin ernsthaft niemand. Mit Blick auf den 27. September hält es die SPD-Führung aus taktischer Sicht offenbar für vorteilhafter, erst einmal auf Zeit zu spielen. Franz Müntefering hat es ja auch offen ausgesprochen. Er hat gesagt, man stehe nicht unter Zeitdruck. "Es ist keine Hetze angesagt. Man wird in aller Ruhe darangehen". Und "ohne Heimlichtuerei". Was immer das nun wieder heißen sollte.

Ob es überhaupt zu einer rot-roten beziehungsweise zu einer rot-rot-grünen Regierung kommen wird, steht ja sowieso noch in den Sternen. Wenn es für die SPD ganz dicke kommt, werden sich die Grünen an der Saar am Ende auf eine Jamaika-Koalition einlassen und die Linken sich der SPD in Thüringen verweigern.

Über Murphys Gesetz wollte Franz Müntefering am Tag nach den Landtagswahlen aber nicht nachdenken. Er richtete den Blick lieber auf die Bundestagswahl. "Der Kampf ist offen", gab sich der Sauerländer überzeugt. Die Landtagswahlen hätten gezeigt, dass sich "in den Wahlkämpfen etwas verändern" könne. Und zwar bis zuletzt. "Der Bonus von einem Amtsinhaber, die Attitüde 'Wählt mich, weil ich da bin!' reicht nicht", meinte Müntefering. Was natürlich nichts anderes als ein Seitenhieb gegen Angela Merkel war.

Müntefering versicherte, dass es für die SPD noch eine Chance gebe zu gewinnen. Und er fügte hinzu, dass noch nicht ausgemacht sei, wer nach dem 27. September den Kanzler stelle. Es müsse ja nicht immer "der sein, der die meisten Stimmen hat". Das zielte auf die Möglichkeit einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen, von der die Liberalen aber nichts wissen wollen.

Eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene hat die SPD jedenfalls erneut ausgeschlossen. "Bis 2013 wird da nichts gehen", meinte Franz Müntefering mit Blick auf seinen Intimfeind Oskar Lafontaine. Sollte heißen: Nach 2013 sieht die Welt ganz anders aus - nach 2013 ist alles möglich.

Betont kämpferisch beschloss Müntefering den Tag beim Start der heißen Wahlkampfphase in Hannover: "In Deutschland ist was in Bewegung. Wir kämpfen dafür, dass die SPD die entscheidende Kraft in Deutschland und Frank-Walter Steinmeier der Bundeskanzler ist."