“Zwischen uns sei Wahrheit.“ Das ist ein berühmter Satz der Weltliteratur. Orest spricht ihn bei Goethe zu seiner Schwester Iphigenie, nachdem er die gemeinsame Mutter erschlagen hat.

Verglichen damit ist die Vorgeschichte von Peter Struck und Angela Merkel natürlich von betörender Harmlosigkeit. Aber man muss sich doch sehr wundern, dass Struck mit seiner Wahrheit so spät um die Ecke kommt. "Sie kann mich nicht leiden", hat er dem "Stern" mitgeteilt, "und ich sie nicht."

Warum macht der Mann das?, fragt man sich entgeistert. Nach 20 gemeinsamen Jahren im Parlament! Kurz vor der Pension, denn Struck kandidiert ja nicht wieder für den Bundestag. Irgendwie wirkt der SPD-Mann wie der Angestellte, der sich vorgenommen hat, dem Chef zum Abschied noch mal richtig die Meinung zu sagen.

Ehrlich zu sein bedeutet in der Politik aber manchmal auch, einsam zu sein. Verlassen von den Parteifreunden, verlassen von den Wählern, je nachdem. Zuweilen kann man durch das, was man für die Wahrheit hält, auch historisch werden. Wie der junge Joschka Fischer, als er dem damaligen Bundespräsidenten Richard Stücklen erklärte: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch." Zu Fischers Entschuldigung kann nur angeführt werden, dass er zu jenem Zeitpunkt gerade mal ein Jahr im Bundestag gesessen hatte.

Und nun hat Peter Struck also gesagt, was er offenbar immer schon mal sagen wollte. Was er sich als Abgeordneter, Minister und Fraktionsvorsitzender verkniffen hat, auf den letzten Metern aber nicht mehr verkneifen kann. Oder will. Da könnte man gar nicht sagen, was besser ist. Die feine englische Art ist es jedenfalls nicht. Wer Struck kennt, weiß natürlich, dass es dem Mann aus Göttingen generell nie leichtgefallen ist, einfach mal was Nettes zu sagen. Aber selbst in so einer harten Schale steckt ein weicher Kern. Er habe, hat Struck dem "Stern" noch anvertraut, "nahe am Wasser gebaut".