Kurz vor der Bundestagswahl ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die für einen Unions-Erfolg wichtigen Vertriebenen zugegangen. Sie würdigte ihre Aufbau- und Versöhnungsleistung.

Berlin. Der Neuanfang sei alles andere als leicht gewesen, sagte sie am Sonnabend in Berlin beim "Tag der Heimat" des Bundes der Vertriebenen (BdV). "Dass die Integration in die Nachkriegsgesellschaft dennoch gelang, und zwar in beiden Teilen Deutschlands, ist und bleibt vor allem ein Verdienst der Vertriebenen selbst." Das Leid, die Verluste der Vergangenheit könne man nicht ungeschehen machen. "Wir können dafür sorgen, dass nicht neues Leid durch Leugnung, Verdrängung und Missachtung geschieht."

Verbandspräsidentin Erika Steinbach zeichnete den früheren Innenminister Otto Schily (SPD) mit der Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen (BdV) aus. Schily sei für die Heimatvertriebenen und Aussiedler ein unvergesslicher Partner. "Sie hatten stets ein offenes Ohr für die Schicksale der Menschen und die Anliegen unseres Verbandes." Schily habe vor zehn Jahren mit seiner Rede zum Tag der Heimatvertriebenen "die intellektuelle Mauer zwischen der politischen Linken und den deutschen Heimatvertriebenen durchbrochen".

Merkel betonte, die gegen viele Widerstände beschlossene Erinnerungsstätte an Flucht und Vertreibung müsse jetzt mit Leben erfüllt werden. Entschieden verteidigte sie den BdV gegen den Vorwurf, damit die Geschichte umschreiben zu wollen. Flucht und Vertreibung seien eine unmittelbare Folge des von Deutschland begonnenen Krieges und der Verbrechen des Nationalsozialismus gewesen. "Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte", sagte Merkel vor den 2000 Teilnehmern im Internationalen Congress Centrum Berlin. Mit der Dokumentationsstätte sollten nicht alte Wunden aufgerissen werden. "Die Geschichte von Flucht und Vertreibung geht uns alle an. Sie ist Teil unserer nationalen Identität und unserer gemeinsamen Erinnerungskultur." Steinbach nannte die Dokumentationsstätte eine längst überfällige Aufgabe Deutschlands. Sie zeigte sich zufrieden mit dem nun Erreichten. Zu der Kontroverse um ihre Person sagte die CDU-Politikerin: "Es geht bei dieser Frage nicht um mich. Es geht um die Freiheitsrechte dieses Staates. Es geht um das Freiheitsrecht unseres Opferverbandes in dieser Demokratie, seine Rechte uneingeschränkt wahrzunehmen. Das lassen wir uns als Bund der Vertriebenen nicht nehmen - von niemandem, weder im Inland noch im Ausland."

Der BdV hatte im März nach einem eskalierenden deutsch-polnischen Streit die Nominierung seiner Präsidentin demonstrativ zurückgezogen. Die Vertriebenen besetzten daraufhin vorerst nur zwei von drei ihnen zustehenden Sitzen.