SPD, FDP und Grüne halten Mahnungen der CDU für eine Strategie, um Gesetze weiter verschärfen zu können.

Hamburg. Der hessische Landesinnenminister Volker Bouffier (CDU) warnte vor Massengeiselnahmen durch Terroristen. Dann bezeichnete sein niedersächsischer Amtskollege Uwe Schünemann (CDU) Deutschland als Anschlagsziel Nummer eins. Seit Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm am 31. Januar im Abendblatt vor Terroranschlägen im Zusammenhang mit der Bundestagswahl gewarnt hatte, haben immer wieder Unionspolitiker auf diese Gefahr aufmerksam gemacht - ohne jedoch konkrete Hinweise auf Anschläge präsentieren zu können.

Nun ziehen die Unions-Politiker zusehends die Kritik anderer Parteien auf sich. SPD, FDP und Grünen halten die häufigen Wortmeldungen für eine Strategie, um im Wahlkampf an Profil zu gewinnen. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele warf den Vertretern der Union vor, sich im Wahlkampf als Law-and-Order-Politiker profilieren zu wollen. "Auf der rechten Seite der Union fehlt ein bisschen das Thema", sagte Ströbele.

"Ich kann die Informationspolitik der Bundesregierung und anderer Politiker nicht nachvollziehen", sagte auch der FDP-Innenpolitiker Max Stadler der "Berliner Zeitung". Diese warnten und fügten gleichzeitig hinzu, dass es keine konkreten Hinweise gebe. "Das führt nur dazu, dass die Bevölkerung Terrorwarnungen nicht mehr ernst nimmt und ein Gewöhnungseffekt eintritt", monierte Stadler. Die Geständnisse im Sauerland-Prozess zeigten zwar, dass es eine reale Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland gebe. "Die Einschätzung ist aber nicht neu, Sicherheitsbehörden gehen davon seit Jahren aus", so Stadler. Er habe den Eindruck, "dass die Unionspolitiker mit der Wiederholung von Bedrohungsszenarien den Boden bereiten wollen, um Gesetze weiter zu verschärfen."

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy sagte dem SWR, weniger "öffentliches Geschwafel" wäre manchmal hilfreich. Er warne davor, im Bundestagswahlkampf das Thema Terrorismusgefahr zu instrumentalisieren.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verteidigte seine CDU-Kollegen hingegen. Kritik, dass wegen der häufigen Warnungen ein Gewöhnungseffekt eintrete, sei abwegig. Die Bürger hätten das Recht, von den Sicherheitsbehörden über die Lage informiert zu werden. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, mahnte ebenfalls zu "erhöhter Obacht" vor der Wahl. Die Sorge sei durchaus begründet, dass Terroristen versuchen könnten, "durch Anschläge Einfluss auf die deutsche Beteiligung am Afghanistaneinsatz zu nehmen", sagte Bosbach den "Ruhr Nachrichten".

Obgleich sich die Parteien über die Art und Weise der Warnungen streiten, sind sie sich in einem Punkt weitestgehend einig: Die Bundesrepublik ist abstrakt gefährdet. Die Befürchtung ist, dass Extremisten vor der Bundestagswahl Anschläge verüben könnten, um einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu erreichen. Weil Umfragen zufolge die meisten Deutschen die Soldaten lieber heute als morgen vom Hindukusch zurückholen wollen, gilt die Bundesrepublik als das schwächste Glied der Truppensteller in dem Land. Zusätzlich aufgeschreckt wurden die deutschen Sicherheitsbehörden zum Jahreswechsel, als ein direkt an Deutschland adressiertes Drohvideo auftauchte. Die Fahnder identifizierten darauf den gebürtigen Marokkaner Bekkay Harrach, der lange Zeit in Bonn lebte und die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Der junge Mann soll Verbindungen zur Führungsriege der Terrororganisation al-Qaida haben.