Knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl hat der hessische Innenminister Volker Bouffier vor Massengeiselnahmen islamistischer Terroristen in Deutschland gewarnt. Al-Qaida könnte vor der Wahl mit einer Terroraktion versuchen, einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu erreichen.

Frankfurt. Man müsse jedes Szenario in Betracht ziehen und sich entsprechend vorbereiten, sagte der CDU-Politiker der "Bild". Nach Ansicht von Experten könnte al-Qaida vor der Wahl mit einer Terroraktion in Deutschland versuchen, einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu erreichen. Bei anderen Innenpolitikern löste Bouffiers Warnung Unverständnis aus.

Bouffier sagte: "Es hat nichts mit Panikmache, aber sehr viel mit Vorsorge zu tun, wenn sich die Polizeien von Bund und Ländern auch auf die Möglichkeit einer Massengeiselnahme vorbereiten." Er bestätigte, dass die Eliteeinheit GSG9 und Spezialeinsatzkommandos der Länder für den Fall von Massengeiselnahmen trainieren. "Wir wissen nicht, wann und wo sie zuschlagen werden", sagte Bouffier. Aber Deutschland stehe eindeutig im Fadenkreuz. Das Terrornetz al-Qaida wolle massiven Schaden anrichten.

"Ich empfinde die Äußerung von Herrn Bouffier als Wichtigtuerei", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), der "Welt am Sonntag". Es sei schon länger klar, dass es vor der Bundestagswahl eine erhöhte abstrakte Gefahrenlage gebe. Aber die Sicherheitsbehörden seien gut aufgestellt. "Es gibt keinen Grund, die Öffentlichkeit mit solchen Warnungen zu verunsichern", sagte Edathy.

Der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) sagte, die größte Gefahr für die innere Sicherheit gehe derzeit vom internationalen islamistischen Terrorismus aus. "Aber ich warne davor, in Panik zu verfallen. Deutschland steht zwar im Fadenkreuz islamistischer Terroristen, den bayerischen Sicherheitsbehörden liegen aber keine konkreten Hinweise auf Terroranschläge in Deutschland vor." Fakt sei, dass "der kranken Fantasie von Terroristen keine Grenzen gesetzt sind". Auf Zustimmung stieß Bouffiers Warnung bei seinem niedersächsischen Amtskollegen Uwe Schünemann (CDU). "Das Risiko ist so groß wie noch nie. Niedersachsen bereitet sich schon seit einiger Zeit intensiv auf entsprechende Szenarien vor", sagte Schünemann der "Welt am Sonntag".

Eines dieser Szenarien wäre fast Wirklichkeit geworden, wären die vier Verdächtigen der sogenannten Sauerlandgruppe nicht vor knapp zwei Jahren verhaftet worden. Die in Düsseldorf Angeklagten wollten Anschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland verüben. In seinem Geständnis steht der Angeklagte Adem Yilmaz auch weiterhin zum Dschihad, dem "Heiligen Krieg" gegen Nichtmuslime. Wie der "Focus" berichtet sagte Yilmaz dem BKA-Beamten: "Dschihad ist Pflicht." Es dürften allerdings keine Unschuldigen getötet werden. In Deutschland wolle er keine Terroraktionen mehr verüben, weil ihn das ins Gefängnis gebracht habe. Auch sein Komplize Atilla Selek hält am Dschihad fest.