Claudia Roth brachte es auf den Punkt. Das Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten haue sie “echt nicht vom Hocker“, meinte die Grünen-Chefin am Freitag trocken. Das “Team Steinmeier“ atme eher den Anspruch, Juniorpartner in einer neuerlichen Großen Koalition zu werden.

Berlin. "Wie will man einen politischen Neuanfang markieren", fragte Roth in der "Thüringer Allgemeinen", "wenn man alle alten Ministerinnen und Minister außer Ulla Schmidt wieder nominiert?" Und der Spitzenkandidat der Bündnisgrünen, Jürgen Trittin, nörgelte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, die Größe von Steinmeiers Team sei "eher Ausdruck der Orientierungslosigkeit als der Kompetenzbreite". Er fügte hinzu: "Ich weiß nicht, was an Verkehrsminister Tiefensee oder Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul innovativ sein soll."

Eigentlich muss den Wahlkampfstrategen im Berliner Willy-Brandt-Haus angesichts dieser Töne am Freitag angst und bange geworden sein. Immerhin sind die Grünen ja der erklärte Wunschkoalitionspartner der Sozialdemokraten, und wenn nicht einmal die eine gewisse Loyalität aufbringen mögen, sieht es wohl düster aus.

Es waren nicht die einzigen Tiefschläge, die die SPD zum Wochenende einstecken musste. Auch die Gewerkschaften gingen auf Distanz. Der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber erklärte in der "Süddeutschen Zeitung", seine Gewerkschaft werde für die Bundestagswahl am 27. September keine Wahlempfehlung geben. "Die Zeiten, in denen die Gewerkschaften empfehlen können, wählt diesen oder jenen, sind vorbei."

In der SPD-Zentrale war man derweil damit beschäftigt, Optimismus auszustrahlen. Eine "Wahnsinnsaufholjagd" wie 2005 sei auch dieses Mal zu schaffen, sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles im SWR. Die allgemeine Annahme, die SPD müsse sich dieses Mal mit 30 Prozent zufrieden geben, wies Nahles als "unterambitioniert" zurück. Auch Generalsekretär Hubertus Heil glaubt, dass die SPD noch gute Chancen bei der Bundestagswahl hat. "Der Wahlkampf geht jetzt richtig los, und Aufgabe vom Wahlkampf ist es, deutlich zu machen, für was man steht", sagte Heil im ZDF-Morgenmagazin. Und der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, setzt ebenfalls auf eine Trendwende. "Ganz sicher wird das Steinmeier-Team dem Wahlkampf der SPD jetzt neuen Schwung geben", sagte er im Deutschlandfunk. "Der Kandidat ist souverän, der Kandidat ist überzeugend. Ich glaube, dass viele in Frank-Walter Steinmeier einen hervorragenden Bundeskanzler für die Bundesrepublik Deutschland sehen, der dieses Amt ja in all seinen Facetten kennt."

Kritik am SPD-Team mit insgesamt zehn Frauen und neun Männern kam hingegen von der Union. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte im Sender MDR Info: "Die SPD kann noch so viele Frauen aufstellen. An der Kompetenz der CDU mit Angela Merkel an der Spitze kommt keiner vorbei." Seine Partei strebe für eine bessere Bewältigung der Wirtschaftskrise ein Bündnis mit der FDP an. "Die SPD weiß nicht mal, wie man Wachstum schreibt."

In allen Umfragen liegen die Sozialdemokraten weiter weit hinter der Union zurück. CDU/CSU und FDP können gemeinsam auf eine Mehrheit hoffen. Nach Ansicht des Parteienforschers Jürgen Falter fehlt es den Sozialdemokraten an "Persönlichkeiten mit Talent, Erfahrung und Ausstrahlung". Die SPD glaube selbst nicht mehr an einen Wahlsieg. Sie werde einen "Verhinderungswahlkampf gegen Schwarz-Gelb" führen, um so die Große Koalition fortsetzen zu können, sagte Falter den "Ruhr Nachrichten".