Die niedergelassenen Ärzte in Berlin sind die größten Gewinner der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Honorarreform. Nach einer vorläufigen Gesamtbilanz der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verdienten sie im ersten Quartal 2009 32,2 Prozent mehr Geld als im Vorjahresquartal.

Hamburg. Ihre niedersächsischen Kollegen verbuchten das zweitgrößte Plus: Sie bekamen 17,6 Prozent mehr, gefolgt von Sachsen-Anhalt (16,1) und Mecklenburg-Vorpommern (15,6 Prozent). Im gesamtdeutschen Durchschnitt haben die rund 140 000 niedergelassenen Ärzte 7,8 Prozent mehr verdient. Die Verlierer der Reform sind die baden-württembergischen Mediziner. Sie mussten ein Minus von 0,7 Prozent hinnehmen.

Die Zahlen überraschen angesichts der zuletzt massiven Proteste der Ärzte. Viele hatten gewarnt, sie müssten wegen der Honorarreform um ihre Existenz bangen. Tausende hatten aus Protest ihre Praxen geschlossen und waren auf die Straße gegangen. Die vorläufige Bilanz der kassenärztlichen Bundsvereinigung belegt jedoch, dass die Mehrheit (65 Prozent) von der Reform profitiert, vor allem diejenigen, die bisher zu den Verlierern gehörten. Es war eines der Ziele der Reform, die Vergütung der bislang benachteiligten ostdeutschen Ärzte auf 95 Prozent des Westniveaus anzuheben. Vor der Reform richtete sich das Honorar unter anderem danach, wie gut oder schlecht eine Krankenkasse finanziell dastand. Entsprechend groß war das Gefälle zwischen den Kassen in bevölkerungs- und einkommensstarken Regionen wie Bayern und solchen mit vielen Arbeitslosen. Dies konnte durch eine Vereinheitlichung der Bezahlung teilweise ausgeglichen werden. So verzeichneten beispielsweise die Hausärzte in Sachsen-Anhalt ein durchschnittliches Plus von 95 Prozent.

KBV-Chef Andreas Köhler warnte jedoch davor, die Zahlen überzubewerten. "Innerhalb der Arztgruppen gibt es Gewinner und Verlierer", sagte er. Die Einnahmen schwankten nicht nur regional, sondern auch innerhalb der Arztgruppen. Orthopäden mussten vier Prozent einbüßen. Zuwächse im zweistelligen Bereich erzielten dagegen Kardiologen, Hautärzte, Nervenärzte, Urologen, Gastroenterologen und Lungenärzte.

"Die angeblich höheren Ärztehonorare sind der übelste Taschenspielertrick, den Ulla Schmidt sich in ihrer Amtszeit geleistet hat", kommentierte der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, die Zahlen: "Ein Großteil dessen, was Ärzte jetzt angeblich mehr an Honorar bekommen sollen, wird ihnen nach der Bundestagswahl wieder abgenommen - alles nur, damit während des Wahlkampfs Ruhe in den Wartezimmern ist", glaubt Grauduszus.

Über das Honorar für 2010 soll ab dem 7. August verhandelt werden. KBV-Chef Köhler kündigte an, dass die Ärzte Maßnahmen gegen die "Kostenunterdeckung" anstrebten. So hätten sich für sie die Kosten seit dem Jahr 2000 um 17 Prozent gesteigert. Dies sollte zumindest teilweise ausgeglichen werden. Auch bei den unterdurchschnittlichen Honorarzuwächsen in den Kassenärztlichen Vereinigungen Bayern (plus 3,5 Prozent), Nordrhein (plus 4,2 Prozent) und Rheinland-Pfalz (5,3 Prozent) sieht Köhler Nachbesserungsbedarf. "Zur Behebung der Benachteiligung einzelner Arztgruppen seien dringend Nachjustierungen des Systems notwendig", forderte auch der Vorsitzende des Hartmannbundes, Prof. Dr. Kuno Winn.