44 Prozent würden bei Jobverlust für neue Arbeit umziehen. Viele glauben, die Talsohle sei noch nicht erreicht.

Brüssel. Die meisten Europäer lassen sich von den optimistischen Prognosen aus Politik und Wirtschaft zur Wirtschaftsentwicklung nicht beeindrucken. Sechs von zehn EU-Bürgern glauben, dass der Höhepunkt der Wirtschaftskrise noch nicht erreicht ist. Dies geht aus einer neuen Umfrage der EU-Kommission hervor. Dabei sind die Deutschen deutlich pessimistischer als der EU-Durchschnitt. Hierzulande erwarten 69 Prozent, dass sich die Wirtschaft in naher Zukunft noch schlechter entwickeln wird. Am größten ist die Krisen-Angst in Lettland (82 Prozent), Estland (76 Prozent) und Luxemburg (73 Prozent), am geringsten in Schweden (45 Prozent).

Weiteres Ergebnis der Umfrage: Jeder dritte Europäer ist "sehr besorgt" um seinen Arbeitsplatz. Am größten ist die Angst um den eigenen Job in Spanien (65 Prozent) und Litauen (63 Prozent), am optimistischsten sind die Schweden und Dänen (beide sieben Prozent). In Deutschland bangt jeder Fünfte (21 Prozent) um seinen Arbeitsplatz. "Die Europäer sind verständlicherweise beunruhigt, wenn es um Auswirkungen der Krise auf ihre Arbeitsplätze und Familie geht", sagte EU-Beschäftigungskommissar Vladimir Spidla.

Die meisten Menschen haben allerdings weniger Angst um ihren eigenen Job als um den ihres Partners oder ihrer Kinder. 36 Prozent der Deutschen befürchten, ihre Kinder könnten arbeitslos werden, 27 Prozent haben Angst, der Partner könne seinen Arbeitsplatz verlieren. Europaweit äußerten 38 Prozent der Befragten die Sorge, dass ihr Partner entlassen werden könnte. Um den Arbeitsplatz ihrer Kinder fürchten sogar 47 Prozent. Insgesamt ist die Zuversicht, im Falle eines Arbeitsplatzverlustes einen neuen Job zu finden, gegenüber dem Vorjahr gefallen. Jeder dritte Europäer (33 Prozent) glaubt nicht daran, innerhalb eines halben Jahres eine neue Stelle zu bekommen.

Insgesamt haben die Deutschen trotz Krise keine große Angst vor der Arbeitslosigkeit. 74 Prozent sind "zuversichtlich", in zwei Jahren noch einen Job zu haben. Noch optimistischer sind Finnen (90 Prozent), Dänen (87 Prozent), Niederländer (85 Prozent) und Briten (81 Prozent). Am wenigsten zuversichtlich sind Slowaken (33 Prozent), Litauer und Bulgaren (beide 39 Prozent).

Im Falle eines Arbeitsplatzverlustes wären 44 Prozent der Deutschen bereit, eine ähnliche Arbeit in einer anderen Stadt anzunehmen. Damit gehören die Bundesbürger zu den mobilsten Europäern. Neben den Deutschen sind auch die Franzosen (43 Prozent), die Niederländer (42 Prozent) und die Österreicher relativ offen für einen Wohnortwechsel. Nicht umzugsfreudig sind dagegen die Rumänen (16 Prozent), die Polen (17 Prozent), die Italiener (21 Prozent) und die Briten (29 Prozent). Generell wäre es den meisten Europäern aber am liebsten, sie würden im Fall einer Entlassung eine vergleichbare Arbeit in ihrer Heimatstadt finden. An zweiter Stelle rangiert "derselbe Job an einem anderen Ort", danach folgt "ein anderer Job am selben Ort". Für diese Option würden sich zum Beispiel 30 Prozent der Dänen und 29 Prozent der Slowaken, aber nur 15 Prozent der Deutschen entscheiden. Berufserfahrung halten sie für das wichtigste Kriterium bei einem Neustart.

Auch die Selbstständigkeit ist für einige eine Alternative: 29 Prozent der Esten, 15 Prozent der Franzosen und zehn Prozent der Deutschen würden diesen Weg gehen. Für die Erhebung wurden 29 768 Menschen befragt.