Irgendwie muss ihm schon Schlimmes geschwant haben. Es gehe ihm nur um den Erfolg der CSU, hat Horst Seehofer den 1000 Parteitagsdelegierten beteuert. “Glaubt mir!“ Aber genau das haben viele nicht getan.

Nürnberg / Berlin. Jedenfalls waren 200 Damen und Herren plötzlich nicht mehr im Saal, als die Wiederwahl des Vorsitzenden auf dem Programm stand. Am Ende hat Seehofer in Nürnberg nur 710 von 1000 möglichen Stimmen bekommen.

Seehofer selbst merkte man anschließend eine gewisse Ratlosigkeit an. Sechzig Jahre lang sei in der CSU nicht so viel verändert worden wie in den zurückliegenden neun Monaten, meinte der Mann aus Ingolstadt. Und da entstünden eben Verletzungen, "wenn Sie so viel umkrempeln". "Die kämpfende Truppe" sei in Ordnung - was "die anderen" bewege, könne er nicht erklären. "Die anderen", das sind die, die Seehofer den Verlust ihrer Ämter oder ihrer Mandate zu verdanken haben. Leute wie der im Herbst zum Zorn der Oberfranken abgemeierte Günther Beckstein, den die Delegierten in Nürnberg demonstrativ beklatschten. Ja, dessen Namen der eine oder andere sogar trotzig auf den Wahlzettel schrieb.

Tatsächlich hat es Seehofer in Nürnberg kalt erwischt. Nahezu jeder hatte ihm im Vorfeld des Parteitags ein Wahlergebnis von mindestens 90 Prozent vorausgesagt. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erlangte bei den Vorstandswahlen 95,6 Prozent. Sein Ergebnis nannte Seehofer "ehrlich", fand es aber ungerecht. In der Stoiber-Ära habe zehn Jahre lang Stillstand in der Partei geherrscht, sagte der alte und neue Parteivorsitzende. Und dass er, Horst Seehofer, das nun ausbaden müsse. Dass er das aber in Kauf nehmen müsse, dass nicht alle über den Umbau des Landeskabinetts oder über Entscheidungen wie die gegen den Anbau von Gen-Pflanzen erfreut gewesen seien. "Ich habe da überhaupt keine andere Wahl, und den Weg werden wir weitergehen." Und nein, den persönlichen Führungsstil werde er nicht ändern. Und ja, im unionsinternen Streit über die Mitspracherechte bei EU-Entscheidungen werde man "einen vernünftigen Kompromiss finden". An Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) gewandt, sagte Seehofer über die bevorstehenden Verhandlungen zwischen CDU und CSU: "Die werden gar nicht so schwierig, Volker, wie ich das sehe."

Während Kauder später dem "Handelsblatt" gegenüber erklärte, über eine Aufwertung der bislang als Vertrag geregelten Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung über die Beteiligungsrechte des Parlaments in Europafragen könne man reden - diese Vereinbarung könne in das Begleitgesetz mit aufgenommen werden, sprach ein anderer von "Theater". Wenn die CSU mehr Mitbestimmung in Deutschland an Entscheidungen in der EU wolle, solle sie die Vorschläge der SPD zu Volksabstimmungen unterstützen, sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) dem Hamburger Abendblatt. "Die CSU will mehr Einfluss der Funktionäre. Wenn sie es ernst meint, dann soll sie keine Angst vor dem Volk haben und dem alten Gesetzentwurf der SPD für die Einführung von Plebisziten in unserer Verfassung zustimmen. Warum", so Gabriel weiter, "haben wir in Deutschland so viel Angst vor Volksabstimmungen? Dann müssten wir als Politiker Europa endlich wieder begründen, um Europa kämpfen und Europa erklären, statt nur inhaltlose Wahlkämpfe über Europa zu führen." Das "Theater, das die CSU gerade mit der CDU aufführt", sei "abenteuerlich".