Der schlechte Pflegezustand ist auch eine Folge des Personalmangels, so Schmidt, die mit Olaf Scholz Gesundheitseinrichtungen besuchte.

Hamburg. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wollte in Hamburg mit dem Thema Pflege punkten. Aus wahlkampftaktischer Sicht das Stichwort zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Vor einer Woche hatte das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf in einer Studie angeklagt, dass viele ältere Menschen in Hamburg und Umgebung am Ende ihres Lebens wund liegen und sogar unternährt sind. Hier sieht die Ministerin Handlungsbedarf.

Der schlechte Pflegezustand ist auch eine Folge des Personalmangels, erläuterte Schmidt, die mit Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) Gesundheitseinrichtungen in Hamburg besuchte. Hohe Arbeitsbelastung und schlechte Bezahlung schreckten viele ab, einen Pflegeberuf zu erlernen.

"Der Pflegeberuf muss attraktiver werden. Es muss eine Balance geschaffen werden zwischen vernünftigen Tariflöhnen und Arbeitszeiten", forderte sie gestern zum Auftakt ihres Besuchs im Altonaer Kinderkrankenhaus. Auch in der Kindermedizin seien qualifizierte Pflegekräfte wichtig. Das Problem - der Mangel - ist allerdings das Gleiche wie in der Altenpflege.

Schuld seien allerdings nicht allein die schlechten Arbeitsbedingungen, sondern auch der demografische Wandel. Bis zu 20 Prozent weniger Pfleger werde es in Zukunft geben, sagte Schmidt. Ein Erfolg immerhin sei es, dass seit Beginn der Pflegereform am 1. Juli 2008 zusätzlich 11 000 Betreuungskräfte (auf 7600 Vollzeitstellen) in Heimen eingestellt worden seien - zur besseren Versorgung demenziell erkrankter Menschen. Diese zusätzlichen Kräfte, auch Betreuungsassistenten genannt, werden vollständig von der Pflegeversicherung finanziert. Damit würden in der Pflege neue Arbeitsplätze geschaffen, sagten Schmidt und Scholz.

Man muss allerdings genau hinhören: Da ist von Betreuungs-, nicht von gelernten Pflegekräften die Rede. Die Betreuungsassistenten sollen helfen, demente Heimbewohner bei ihren Tagesaktivitäten zu unterstützen, mit ihnen spazieren gehen oder ihnen vorlesen und so ihre Lebensqualität erhöhen. Der Markt für qualifiziert ausgebildete Pflegekräfte aber ist nach Aussage von Heim-Personalleitungen wie leer gefegt. Auch die Zahl der Auszubildenden sinkt. Von einer Entspannung auf dem Pflegekräftemarkt kann also keine Rede sein - trotz einiger klarer Fortschritte der Pflegereform.

Das weiß auch Ulla Schmidt, deren Blick auf die Bundestagswahl umwölkt sein wird. Denn den jüngsten Umfragewerten der SPD zufolge könnte sie ihren Stuhl im Herbst verlieren. Die Union ist beim Thema Pflege bisher eigenartig still geblieben.

Bei einer Diskussionsrunde im Altonaer Theater machte sie, nach einem Abstecher ins Bernhard-Nocht-Institut, noch einmal Reklame für die von ihr angetriebene Reform. "Die bis jetzt fast 11 000 zusätzlichen Betreuungskräfte sind ein Erfolgsmodell. Sie erleichtern jetzt den Alltag von rund 190 000 stationär gepflegten Menschen", lobte Schmidt. Doch sie fordert mehr als das: "Qualifizierte Pfleger müssen besser entlohnt werden." Angesichts eines sich ausbreitenden Niedriglohnsektors dürfte sie damit bei vielen Pflegern auf offene Ohren treffen. Es stellt sich nur die Frage, wie das finanziert werden soll.

Die Ministerin sieht hier die privaten Versicherungen in der Pflicht: "Wenn alle, also auch die privaten Versicherungen, 1,95 Prozent in einen Topf zahlen, haber wir weit bis ins Jahr 2034 keine finanziellen Probleme in der Pflege." Das ist zumindest die Überzeugung der Gesundheitsministerin.