Der Bundestag hat ein wenig aufs Tempo drücken müssen bei seiner letzten regulären Sitzung der 16. Wahlperiode. Die Sommerpause beginnt. Am 27. September ist die Bundestagswahl. Und spätestens am 27. Oktober muss sich ein neuer Bundestag konstituieren. Alle Gesetzentwürfe, die bis dahin nicht erledigt sind, fallen der Diskontinuität anheim.

Berlin. Das heißt, sie verfallen. Entsprechend viele Themen handelte der Bundestag noch vor der Pause ab. In der Nacht zum Freitag überbot er sogar seinen erst zwei Wochen alten Sitzungsrekord. Erst um

1.08 Uhr erklärte Parlamentsvizepräsident Hermann Otto Solms (FDP) die Sitzung für geschlossen. Die wichtigsten Beschlüsse der letzten Sitzung vor der Sommerpause:

Bad Banks: Die Abgeordneten haben den Weg frei gemacht für Bad Banks. Sie sollen als eine Art Deponie für sogenannte Giftpapiere dienen. Kredite und Hypotheken, die im Zuge der Finanzkrise stark an Wert verloren haben, können hierhin ausgelagert werden. Laut Finanzministerium sitzen die privaten Banken auf Giftpapieren im Wert von 180 bis 190 Milliarden Euro, die sie so auslagern können. Das Gesetz soll den Banken ermöglichen, ihre Bilanzen zu bereinigen, um trotz der Finanzkrise Kredite an die Wirtschaft vergeben zu können. Auch Landesbanken dürfen das Modell nutzen. Für sie wurden Spezialregelungen eingeführt. Sie können Papiere bis zu einem Volumen von 600 Milliarden Euro in Bad Banks auslagern. Im Gegenzug sollen sie sich bis 2010 reformieren und zusammenschließen.

Steuerhinterziehung: Im Kampf gegen die Steuerflucht gelten künftig strengere Regeln. Bürger und Unternehmer, die in Steueroasen Geschäfte betreiben oder ein Konto unterhalten, müssen dem Fiskus umfassend Auskunft erteilen. Zu den Steueroasen zählen all jene Länder, die sich nicht an die Standards der Wirtschaftsorganisation OECD halten. Werden Auskünfte über Geschäfte oder Konten in diesen Ländern unterschlagen, drohen empfindliche Sanktionen. Das Finanzamt kann Vergünstigungen streichen, zum Beispiel den Abzug von Betriebsausgaben oder Entlastungen von der Kapitalertragssteuer. Das Gesetz soll Steuerschlupflöcher stopfen, durch die dem Staat bislang nach Schätzungen von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) jährlich 100 Milliarden Euro verloren gingen.

Bankenaufsicht: Als Konsequenz aus der Bankenkrise hat der Bundestag die Rechte der deutschen Finanzaufsicht erweitert. Bei Schieflage einzelner Institute kann schneller eingegriffen werden. Bei Risiken darf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) künftig höhere Eigenmittel und Liquidität verlangen.

Anlegerschutz: Der Bundestag hat die Weichen für einen stärkeren Anlegerschutz gestellt. Mit einem verpflichtenden Beratungsprotokoll sollen Anleger bessere Karten haben, falls sie falsch beraten wurden. Außerdem sollen die Verjährungsfristen für Ansprüche auf Schadenersatz verlängert werden. Offen ist aber, ob das Gesetz im Bundesrat in der kommenden Woche durchkommt. Bayern fordert mehr Verbraucherrechte und will den Vermittlungsausschuss einschalten.

Datenschutz : Das verabschiedete Gesetz zum Datenschutz hat breite Kritik bei Politikern und Experten hervorgerufen. Nach einer Serie von Datenskandalen - unter anderem bei der Telekom - sollte es den Handel mit persönlichen Daten einschränken. Bislang durften Unternehmen Namen und Adressen von Kunden zu Werbezwecken nutzen. In Zukunft soll sich das ändern. Adressen dürfen grundsätzlich nur dann weitergegeben werden, wenn die Betroffenen ausdrücklich zustimmen - mit einer Ausnahme: Listenmäßig erfasste Daten dürfen nach wie vor ohne Einwilligung weitergeben werden. "Damit kann die Wirtschaft hochsensible Daten weiterhin als gewinnbringende Handelsware verschachern", kritisierte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth.

Genitalverstümmelung : Bereits in der Nacht zum Freitag hat der Bundestag beschlossen, Genitalverstümmelungen junger Migrantinnen in Deutschland härter zu bestrafen. Entsprechende Taten werden als schwere Körperverletzung ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Sie sollen mit einer Strafe von einem bis zu zehn Jahren geahndet werden. Die zehnjährige Verjährungsfrist beginnt künftig erst dann, wenn die Opfer volljährig sind. Bislang kamen Täter oft straffrei davon, weil ihre Tat meist verjährt ist, bevor die Opfer bereit sind, sich zu wehren. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland etwa 20 000 Mädchen und Frauen, die Opfer von Genitalverstümmelungen sind.

Erbrecht : Von dem neuen Gesetz werden vor allem diejenigen profitieren, die Eltern oder Großeltern pflegen. Bislang mussten pflegende Verwandte ihren Beruf aufgegeben haben, um als Ausgleich für die Pflegeleistung ein höheres Erbteil zu bekommen. Künftig wird dieser Bonus auch dann gewährt, wenn Verwandte parallel zu ihrem Job gepflegt haben. Außerdem werden Stief- und Pflegekinder bessergestellt. Neben Eltern, Ehe- und Lebenspartnern sowie Kindern und Enkeln haben künftig auch sie einen Anspruch auf ein Pflichtteil des Erbes.