Auch die Mehrheit der Deutschen ist für Beendigung des Einsatzes. Linke-Chef Lafontaine wirft Kabinett vor, gegen Volkes Willen zu regieren.

Hamburg/Berlin. Kaum sind die Trauerreden für die drei zuletzt in Afghanistan gefallenen deutschen Soldaten verklungen, und kaum hat der Bundestag mehrheitlich der Entsendung von bis zu 300 weiteren Bundeswehrsoldaten im Zuge des Awacs-Einsatzes zugestimmt, da entbrennt eine neue Grundsatzdebatte über den Einsatz am Hindukusch.

Nachdem der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer kürzlich eine "Exit- Strategie" für Afghanistan gefordert hatte - "um zu sehen, wo die Reise hin geht und unter welchen Bedingungen" - forderte nun sein Parteikollege Hans-Peter Uhl, die Priorität beim deutschen Afghanistan-Einsatz "vom Militär zur Polizei" zu verlagern. Uhl sagte unverhohlen, Ziel müsse ein baldiger Abzug sein. Und die Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in Deutschland, Christine Hoffmann, forderte "einen geplanten und gut vorbereiteten Abzug der ausländischen Truppen vom Hindukusch. "Aus meiner Sicht muss der Versuch, einen humanitären Friedenseinsatz zu gestalten, als gescheitert angesehen werden", sagte Hoffmann dem Kölner domradio. "Ich sehe kaum Fortschritte in der Befriedung des Landes, aber eine Eskalation der Gewalt." Die Bundeswehr werde immer mehr zur Zielscheibe von Angriffen - und auch Akteur in Kämpfen.

Linke-Parteichef Oskar Lafontaine, meinte: "Die Regierung Merkel-Steinmeier regiert gegen die Mehrheit des Volkes, indem sie an der Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan festhält." Das Ziel des Afghanistan-Einsatzes, den Terrorismus zu bekämpfen, werde in sein Gegenteil verkehrt - der Afghanistan-Einsatz erhöhe die Terrorgefahr in Deutschland. "Die Bundeswehr muss Afghanistan verlassen", forderte Lafontaine, "Es ist nicht länger zu verantworten, das Leben von Afghanen und das Leben der Soldaten aufs Spiel zu setzen." Die jüngsten Umfragen geben den Kritikern des Bundeswehr-Einsatzes recht: Im aktuellen ARD-Deutschland-Trend sprachen sich 69 Prozent von 1000 befragten Bundesbürgern dafür aus, dass sich die Bundeswehr "möglichst schnell" aus Afghanistan zurückzieht. Dies sind fünf Prozentpunkte mehr als noch im April; es ist zugleich der höchste Wert, den diese ARD-Umfrage je feststellte. 58 Prozent der Deutschen halten danach den Begriff "Krieg" für den Einsatz der Bundeswehr für angemessen.

Nach dem ZDF-Politbarometer lehnen inzwischen 55 Prozent der Deutschen den Afghanistan-Einsatz ab. Dafür waren von der Forschungsgruppe Wahlen 1206 Wahlberechtigte befragt worden.

Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Linie. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) lehnte eine Diskussion über einen Abzugstermin ab. Der Einsatz deutscher Soldaten diene keinem Selbstzweck, sagte Steinmeier dem Deutschlandradio Kultur. Die Afghanen müssten in die Lage versetzt werden, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Und die Bundeswehr könne erst abziehen, wenn dieses Ziel erreicht sei. "Aber jetzt eine kopflose Ausstiegs-Diskussion, eine Exit-Diskussion, zu führen, halte ich nicht für verantwortlich in einem Land, das in einer internationalen Verantwortung steht und nicht irgendwer ist. Auf uns wird geschaut", betonte der Außenminister. Auch die Kanzlerin verteidigte den Einsatz am Hindukusch: "Wir sind mit Einverständnis der afghanischen Regierung in Afghanistan - und wir werden vor dieser Aufgabe nicht weglaufen, sondern wir werden sie Stück für Stück erfüllen."

Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) lobte derweil das Bundestags-Votum für den Einsatz von bis zu vier Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato zur Sicherung des afghanischen Luftraums. Diese Flugzeuge, die bei Bedarf auch Kampfeinsätze koordinieren können, seien "dringend erforderlich". Das Mandat ist bis zum 13. Dezember befristet.