Demokratie ist nach Wort und Geist die Herrschaft des Volkes. Und das Instrumentarium, mit dem das deutsche Volk seine Souveränität ausübt, ist das Parlament - der Bundestag.

Wenn dieses Gremium aus gewählten Volksvertretern bei der Erstellung von Gesetzen oder anderen bedeutsamen politischen Entscheidungen übergangen wird, liegt ein eklatanter Mangel an Demokratie vor. In diesem Punkt hatte das bunte Konsortium an Klägern gegen den Lissabon-Vertrag durchaus recht. Die meisten den Bürger betreffenden Gesetze und Regelungen werden inzwischen von der Europäischen Union erstellt, und das deutsche Parlament hat hierbei kaum ein Mitwirkungsrecht. Und wenn die Bundesregierung etwa der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zustimmt - eine Entscheidung mit möglicherweise sehr weit reichenden Folgen - so ist die Volksvertretung der Deutschen ebenfalls außen vor.

Dies verstärkt die diffusen Ängste vor einem Brüsseler Moloch, der immer mehr Macht an sich reißt und dabei die besonderen nationalen Bedürfnisse arrogant ignoriert. Aus dem Karlsruher Urteil ergeben sich zwei bedeutsame Klarstellungen: zum einen, dass der europäische Einigungsprozess mit dem Vertragswerk von Lissabon voranschreiten soll. In der sich abzeichnenden multipolaren Welt mit Giganten wie den USA, China, Russland, Indien, Indonesien und Brasilien können kleine europäische Nationalstaaten allein keine relevante Rolle mehr spielen. Nur als Europäische Union hat der alte Kontinent eine Chance, ein Wort mitzureden. Zum anderen aber stellt das Urteil klar, dass diese Union eben noch keine Vereinigten Staaten von Europa ist, kein Bundesstaat also, sondern immer noch ein Verbund souveräner Staaten. Dies wird wohl noch für Jahrzehnte so bleiben. Und so lange gilt es, die Rechte der nationalen Parlamente zu schützen.