Bundeskanzlerin will Agrardiesel langfristig verbilligen. Landwirte fordern eigenes Konjunkturprogramm.

Hamburg. Wenn der Staat der Autoindustrie und dem Handwerk hilft, dann soll er auch etwas für die Agrarwirtschaft tun: Mit der Forderung nach einem Konjunkturprogramm für Landwirte hat der Bauernverband gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Bauerntag in Stuttgart empfangen. Das Konjunkturprogramm soll nach Ansicht von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner vor allem die Preismisere auf dem Milchmarkt beheben.

"Gibt es mehr Nachfrage, steigt automatisch der Preis", sagte Sonnleitner. Er sprach sich für Schulmilchprogramme aus, um den Absatz zu fördern. Die Milchbauern bekommen derzeit rund 25 Cent für einen Liter Milch, manche gar nur 20 Cent. Nötig wären nach Branchenangaben etwa 40 Cent. "Der Dampf im Kessel ist groß, nicht nur, aber besonders auch wegen der Milch", sagt Sonnleitner. Man sei verärgert über den Lebensmitteleinzelhandel und "über eiskalt auftretende Discounter, die sich ins Fäustchen lachen, weil sie in der Krise die Molkereien regelrecht verführen können".

Zur Milchpreis-Debatte konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gar nicht allzu viel beitragen. Denn in diesem Punkt sehen die Bauern nicht die Politik, sondern die Molkereiwirtschaft und den Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht, höhere Preise beim Verbraucher durchzusetzen. Die Bundeskanzlerin kam dennoch nicht mit leeren Händen und gab den Delegierten sogar etwas wie ein Wahlversprechen. Sie stellte den Bauern eine Verlängerung des Steuervorteils beim Agrardiesel in Aussicht. Sie werde sich dafür einsetzen, dass das verlängert werde, wenn es weiter Wettbewerbsverzerrungen bei dem Thema gebe, sagte Merkel.

Erst vor Kurzem hat die Große Koalition die Steuer auf Agrardiesel von 40 auf 25,56 Cent pro Liter gesenkt - doch vorerst auf zwei Jahre befristet. Die Bauern in Deutschland seien damit um 570 Millionen Euro entlastet worden, betonte Merkel. Die Kanzlerin mahnte die Bauern, Geschlossenheit zu zeigen. "Meine dringende Bitte ist, lasst uns die einzelnen Interessen nicht gegeneinander ausspielen", sagte Merkel mit Blick auf die verbandsinterne Kritik an Sonnleitner. Gerade wegen der Milchpreise sollte es keinen weiteren Streit mehr zwischen den Verbänden geben. Sonnleitner war zuletzt mehrmals kritisiert worden, weil er die Abschaffung der Milchquote im Jahr 2015 fordert, während der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) für eine Mengenregulierung kämpft.

Dessen ungeachtet wählten rund 97 Prozent der Delegierten den 60-Jährigen erneut für drei Jahre in das Amt des Verbandspräsidenten. Bei seiner Wahl vor drei Jahren hatte Sonnleitner, der seit 1997 Bauernpräsident ist, 94,7 Prozent der Stimmen eingefahren. Dem Deutschen Bauernverband gehören rund 90 Prozent der Agrarbetriebe an. Er ist die wichtigste Lobby der 350 000 Landwirtschaftsbetriebe und der rund 1,25 Millionen in der Agrarwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer. Der erneut bestätigte Verbandschef verteidigte die massiven Proteste der Bauern in den vergangenen Monaten: "Wir sind als Bauernverband aber keine Krawallmaschine", fügte er hinzu. Aber Sonnleitner betonte, wie dramatisch die Lage der Landwirte ist: Die Bauern fahren nach seinen Worten in jedem Monat 800 Millionen Euro an Verlust ein. Vor dem Bauerntag brachten etliche Landwirte auf Transparenten ihren Zorn zum Ausdruck: "Billigpreise bremsen uns aus." Auf einem Heißluftballon über dem Veranstaltungsgebäude stand: "Faire Preise fallen nicht vom Himmel." Und auch Angela Merkel wurde auf einem Banner mit einer deutlichen Warnung bedacht: "Wer Schäfer quält, wird nicht gewählt", war zu lesen.