Seit drei Jahren tagen Vertreter der Muslime und des deutschen Staates. Die Debatte soll nach der Wahl fortgesetzt werden. Differenzen gibt es viele - vor allem unter den islamischen Gruppen.

Hamburg. Mehr als Empfehlungen kamen am Ende nicht heraus. Die Islamkonferenz einigte sich etwa auf eine Regel, um Konflikte im Umgang mit muslimischen Schülerinnen zu vermeiden: Nach geltender Rechtslage könne einem Mädchen das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht nicht untersagt werden, heißt es in einer Handreichung, die gestern von Vertretern der Konferenz beschlossen wurde. Eine Verschleierung des Gesichts dagegen sei mit dem Schulbetrieb "nicht vereinbar".

Am Schwimmunterricht sollen auch muslimische Mädchen teilnehmen müssen, mit Beginn der Pubertät aber vom gemeinsamen Schwimmtraining mit Jungen befreit werden, wenn es zu Gewissenskonflikten wegen religiöser Bekleidungsvorschriften komme. Islamische Religion solle ein ordentliches Unterrichtsfach werden, Anspruch auf Befreiung vom Sexualkundeunterricht bestehe dagegen grundsätzlich nicht

Es war das letzte Treffen der federführend vom Innenministerium geleiteten Islamkonferenz vor den Bundestagswahlen. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zog zwar eine positive Bilanz: "Die Muslime sind inzwischen auf dem besten Weg, einen eigenständigen Islam in Deutschland zu entwickeln." Unter allen Teilnehmern herrsche Einigkeit, "diesen Ansatz" fortzusetzen, sagte Schäuble weiter.

Wie aber die Islamkonferenz genau fortbestehen soll, das beschäftigte die Teilnehmer stärker als inhaltliche Debatten. Denn viele Muslime fühlen sich durch die Zusammensetzung der Konferenz nicht angemessen vertreten. Und zwischen den Verbänden herrscht alles andere als Konsens.

"Es sind noch viele Fragen offen.", sagte der Vorsitzende des Bündnisses der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland, Ramazan Ucar, dem Abendblatt. Es könne nicht sein, dass auf der Konferenz zahlreiche in der Türkei ausgebildete Imame für Bedürfnisse von in Deutschland sozialisierten Muslimen sprächen, sagte der Chef der Vereinigung von rund 20 000 Muslimen. "Wir brauchen Vertreter, die in Deutschland studiert haben und die Mentalität hier kennen." Schließlich hätten in Deutschland geborene Muslime keine andere Identität als Deutsche. Außerdem "kommt es nicht so gut an", dass die Konferenz vom Innenministerium geführt werde, das unterstreiche ein angenommenes Bedrohungspotenzial durch Moslems. Ucar: "Warum können wir nicht mit dem Kulturminister sprechen?"

Erklärtes Ziel der seit drei Jahren bestehenden Islamkonferenz ist die Verbesserung des Dialogs zwischen Muslimen und Staat. Der Runde gehören jeweils 15 Vertreter der Muslime und des deutschen Staates an. Arbeitsgruppen haben über die Jahre hinweg Vorschläge erarbeitet.

Der Wissenschaftler Navid Kermani, der dem Gremium als geladener Vertreter der nichtorganisierten Muslime angehört, mahnte eine "stärkere Legitimierung" der Konferenz an: "Diese Position muss in Zukunft demokratisch begründet werden." Der Deutsch-Iraner verwies darauf, dass die beteiligten Repräsentanten der großen islamischen Verbände nur für eine Minderheit sprechen. Schätzungsweise sind nur etwa 10 bis 20 Prozent der Muslime in Deutschland organisiert. Nach Auffassung von Experten haben die Verbände ein stark traditionalistisches Islamverständnis, während ein Großteil der nichtorganisierten Muslime liberal denke.

So ist das Abschluss-Resümee gespickt mit Fußnoten: "Zu den Unterzeichnern gehören ... Der Islamrat trägt die Schlussfolgerungen nicht mit." Eine Fassung des Resümees beginnt mit den Worten "Wir Muslime", eine andere, ansonsten wortgleiche Version, mit "Wir Aleviten".

Das zeigt: "Die Muslime" gibt es nicht - ähnlich wie bei den Christen gibt es höchst unterschiedliche Gruppierungen.