Wie man in Berlin weiß, lässt sich der Kanzlerkandidat vom Altbundeskanzler gern beraten. Zu viel!, sagen die, die aus Steinmeiers Reden die ihnen unangenehme schrödersche Kraftmeierei heraushören.

Berlin. Warum?, fragen die anderen, die finden, dass man den Agenda-2010-Architekten heute in der SPD nicht mehr gebrauchen kann.

Beim Parteitag vor zehn Tagen hat Gerhard Schröder in der ersten Reihe gesessen, gestern war er sogar als Redner bestellt - bei der von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in Berlin organisierten Klimakonferenz. Ausgerechnet der einstige Auto-Kanzler sollte da Wegweisendes zum Thema "Green Recovery - Eine neue Politik für Wachstum, Beschäftigung, Nachhaltigkeit" beitragen beziehungsweise eine ökologische Traditionslinie zu Steinmeier herstellen.

Besonders gut geklappt hat das nicht. Abgesehen davon, dass Schröder unkonzentriert wirkte, wusste er nicht viel dazu zu sagen. Abgesehen davon, dass die Einführung der Öko-Steuer durch die rot-grüne Bundesregierung vor zehn Jahren zu einer Wende in der Energiepolitik geführt habe und dass der Ausstieg aus der Atomenergie historisch gewesen sei. Schröder hielt der 700-köpfigen Versammlung stattdessen einen Vortrag über die einst von ihm verantwortete Industriepolitik - "Sie war gut und richtig, denn wo nix mehr ist, kann man auch nix mehr modernisieren!" - und gab mit Blick auf die beschlossenen Konjunkturpakete nebulöse Prognosen ab: "Ich bin nicht sicher, ob man im Herbst wird nachlegen müssen." Wer Gerhard Schröder zuhörte, fragte sich, ob er das Thema absichtlich verfehlte oder nur keine Lust gehabt hatte, sich vorzubereiten.

Egal, Frank-Walter Steinmeier wird es recht gewesen sein, denn den Vergleich mit einem Schröder in dieser Form brauchte er nicht zu fürchten. Steinmeiers Rede war von seinen Beratern als "wichtige" angekündigt worden, weil sie alles bündeln sollte: die drohende Klimakatastrophe, die Krise, die gegenwärtigen Probleme. Als rundum kompetent sollte sich Steinmeier in Szene setzen, nachdem er zuletzt im Zuge der Arcandor-Debatte in Schwierigkeiten geraten war.

Um es vorwegzunehmen: Er war besser als Schröder, aber mehr auch nicht. Deutschland müsse eine "Arbeitsgesellschaft" bleiben, sagte Frank-Walter Steinmeier. Es gehe darum, "neu und anders" zu denken. "Alle Kräfte in die erneuerbaren und Effizienztechnologien" zu stecken, "Leitmarkt" für Elektromobilität und Speichertechnologie zu werden. Grüne Technologie müsse zum Markenzeichen Deutschlands werden. Wer das Neue wolle, dürfe nicht an Veraltetem festhalten. Das zielte auf die Atomenergie, die Steinmeier als "Weg in die Sackgasse" bezeichnete. Wenigstens dafür gab es Beifall.

Nein, es war keine Rede, mit der Steinmeier an den Parteitag anknüpfen konnte. Es war der alte Steinmeier, der gestern sprach. Solide, sicher, aber wie eh und je vollgepackt mit Füllseln und Worthülsen, die den Zuhörern die Ohren verstopften. Schwung hatte nur der letzte Satz: "Ich will, dass Deutschland gewinnt."