Bundestag und Bundesregierung gedachten des Aufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR. Mit der Volkserhebung begann der Freiheitskampf, der 1989 zum Fall der Mauer führte.

Berlin. Bundestag und Bundesregierung haben gestern des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR gedacht. Die blutig niedergeschlagenen Demonstrationen und Streiks seien für sich betrachtet die Geschichte einer Niederlage, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bei der Gedenkstunde im Parlament. In der Rückschau markiere der 17. Juni jedoch den Beginn eines erfolgreichen Kampfes für die Freiheit, der im November 1989 zum Fall der Mauer geführt habe.

Der evangelische Theologe Richard Schröder erinnerte anschließend an die Tragik der damaligen Ereignisse. Die Ostdeutschen hätten lernen müssen, "dass Zivilcourage gegen Panzer machtlos ist", und im Westen sei man zur Untätigkeit verurteilt gewesen. "Hätten die Westmächte eingegriffen, hätte tatsächlich ein Weltkrieg gedroht." Immerhin sei der 17. Juni fortan "das Trauma der SED" geblieben. Zudem habe er eindrucksvoll widerlegt, dass "den Deutschen der Untertanengeist angeboren ist", sagte Schröder, der 1990 SPD-Fraktionsvorsitzender in der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR gewesen ist.

Auslöser für den Volksaufstand ist die zuvor von der SED beschlossene, brutale Heraufsetzung der Arbeitsnormen gewesen, mit denen die Parteiführung einerseits den massiven wirtschaftlichen Problemen begegnen und andererseits Walter Ulbricht ein Geschenk zum 60. Geburtstag machen wollte. Aber statt den Anweisungen Berlins einmal mehr murrend zu folgen, setzten sich die Arbeiter zur Wehr. Was in den Morgenstunden in Berlin begann, setzte sich wie ein Flächenbrand in der DDR fort. Hunderttausende gingen auf die Straße und forderten den Rücktritt ihrer Regierung und freie Wahlen. Am Ende sind es eine Million Menschen gewesen. Was Ulbricht derart erschreckte, dass er sich in seiner Panik mit dem Politbüro nach Berlin-Karlshorst unter den Schutz der sowjetischen Behörden flüchtete.

Der Preis für diesen ersten Volksaufstand hinter dem Eisernen Vorhang ist hoch gewesen: 34 Demonstranten wurden von Volkspolizisten und sowjetischen Soldaten erschossen. Sieben wurden hingerichtet. Infolge der Haftbedingungen starben vier Menschen, vier weitere nahmen sich in den Gefängnissen das Leben. Elf von ihnen wurden in einem Gemeinschaftsgrab an der Seestraße beigesetzt, wo Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) den Volksaufstand gestern das "Wetterleuchten eines Emanzipationsprozesses" nannte. "Mehr als eine Million Menschen in über 700 Städten und Gemeinden der DDR wagten es in jenem Frühsommer, ihrem lange angestauten Unmut über die herrschenden Zustände Luft zu verschaffen." Nur wer sich die damalige Brutalität des SED-Regimes vor Augen halte, könne den Mut der Menschen ermessen, die bei den Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig auf die Straße gegangen seien, sagte Scholz.

Konrad Adenauer hat den 17. Juni bereits im Sommer 1953 zum Tag der Deutschen Einheit erklärt. Seit 1990 ist er kein Feiertag mehr. Seitdem feiert Deutschland am 3. Oktober.