Vor genau zwei Monaten hat Barack Obama in Prag die Welt dazu aufgerufen, alle nuklearen Waffen zu verschrotten. Dies war ein historischer Vorstoß.

Vier große Männer der deutschen Politik, Hans-Dietrich Genscher, Richard von Weizsäcker, Helmut Schmidt und Egon Bahr, hatten sich bereits im Januar in ihrem Berliner Appell "für eine atomwaffenfreie Welt" eingesetzt. Wenige Tage nach Präsident Obamas Rede in Prag hatte ich die Gelegenheit, in Moskau mit dem russischen Außenminister Lawrow zu sprechen. Ich habe den Eindruck, dass man in Moskau genau verstanden hat, welche Chance sich heute bietet: Auf eine Phase der Aufrüstung könnte eine Ära der Abrüstung folgen.

Auch Deutschland sollte Barack Obama endlich beim Wort nehmen. Die Bundesregierung sollte Präsident Obamas Initiativen aktiv begleiten und eigene Beiträge liefern, statt sich mit der Rolle des passiven Zuschauers zu begnügen. Deutschland könnte in der Nato über den Abzug der letzten verbliebenen US-Atomwaffen in Deutschland verhandeln, denn diese Relikte des Kalten Krieges braucht niemand mehr. So würde Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und glaubwürdig für eine Welt ohne Nuklearwaffen werben.

Jetzt kommt Barack Obama erneut zu uns. Zwei Europa-Reisen in nur zwei Monaten zeigen, wie wichtig Barack Obama die transatlantische Partnerschaft nimmt. Ist sie uns genauso wichtig? Die Bundesregierung hat jetzt die Chance, Ja zu sagen und ihren Teil zur Begründung einer erneuerten Allianz beizusteuern. Wenn der US-Präsident heute Abend nach Deutschland kommt, besucht er drei Orte, die sorgsam ausgewählt wurden. Dresden strahlt wieder in altem Glanz und steht zugleich für Hightech und Forschung. Sachsens Hauptstadt erinnert daran, dass es die Einheit in Freiheit ohne das amerikanische Engagement für die Überwindung der Teilung nie gegeben hätte.

Barack Obamas Besuch in Buchenwald erinnert an Deutschlands schlimmste Vergangenheit, die zu überwinden Präsident Obamas Großonkel bei der Befreiung des KZ mithalf. Und schließlich Landstuhl in Rheinland-Pfalz, wo der Präsident verletzte US-Soldaten besucht: Das steht für den deutsch-amerikanischen Schulterschluss beim Einsatz in Afghanistan. Dies steht für die Kontinuität der amerikanischen Präsenz in der Bundesrepublik. Landstuhl steht für gemeinsame Sicherheitsinteressen.

So überlegt diese Symbolik der Orte sein mag, für das politische Verhältnis zwischen Berlin und Washington reichen schöne Bilder nicht. Für Barack Obama gilt es nun, in der beginnenden zweiten Phase seiner noch jungen Amtszeit, den Aufbruchsworten Taten folgen zu lassen. Bei der Aufklärung von Folter und Demütigung in US-Gefängnissen hat Barack Obama eine Kehrtwende gemacht und sich gegen die zunächst versprochene Transparenz entschieden. Das Schandmal Guantánamo will er zu Recht weiterhin schließen, aber neben den Republikanern verweigert ihm auch die eigene Demokratische Partei die nötigen Gelder. Washington wünscht, dass Deutschland Gefangene aus Guantánamo aufnimmt. Hier sind zuallererst die USA selbst gefragt. Aber wir sollten weder blockieren noch Blankoschecks ausstellen, sondern aus humanitären Gründen die Einzelfälle sorgfältig prüfen.

Morgen wird es wieder schöne Bilder eines sympathischen Präsidenten als unserem Gast geben. Die positive Stimmung, die sich hierin ausdrückt, ist ein wertvolles Kapital für eine deutsch-amerikanische Zukunft, die besser sein sollte als die zurückliegende Phase der Entfremdung unter Präsident Bush junior. Dessen neokonservative Ideologie setzte auf das Recht des Stärkeren. Barack Obama baut auf die Stärke des Rechts. Aber wenn der US-Präsident auf Abrüstung, strategische Partnerschaft und gemeinsame Aktionen gegen die Wirtschaftskrise setzt, dann will er dafür auch etwas bekommen.

Dabei geht es nicht um Truppenstärken in Afghanistan. Es geht darum, dass die US-Regierung endlich voll arbeitsfähig wird und die deutsche Regierung sich endlich mit den amerikanischen Partnern zusammensetzt, um Punkt für Punkt durchzugehen, was man gemeinsam erreichen kann. Wenn vom morgigen Tag das Signal einer erneuerten Freundschaft ausgeht, dann ist das gut. Aber nur ein guter Anfang. So langsam sollten den Gesten und Worten auch Taten folgen. Schöne Bilder können und dürfen substanzielle Politik nicht ersetzen. Das Fenster der Gelegenheit - es wurde von Präsident Obama weit geöffnet. Die deutsche Politik darf diese Gelegenheit nicht weiter verschlafen.