Nach jahrelangem Streit ist der Weg zur staatlichen Abgabe von künstlichem Heroin an Abhängige bundesweit frei.

Berlin - Ohne Fraktionszwang beschloss der Bundestag gestern einen von der SPD initiierten Antrag mit 349 Ja- bei 198 Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Die Opposition unterstützte den Gesetzentwurf, die Union lehnte ihn ab. Das sogenannte Diamorphin bekommen Menschen in speziellen Einrichtungen unter staatlicher Aufsicht nach "strengen Kriterien", wie die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann versicherte.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte den Beschluss. Dem Hamburger Abendblatt sagte er, die Behandlung von Schwerstabhängigen mit dem Ersatzstoff Diamorphin habe in der mehrjährigen Testphase vielen Menschen helfen können: "Die Therapie gibt den Patienten Stabilität im Alltag, ihr Gesundheitszustand verbessert sich und die Beschaffungskriminalität nimmt ab." Bei seinem Besuch in der Ambulanz Altona in Hamburg hätten ihm Patienten von ihren Erfahrungen berichtet. "Besonders beeindruckt hat mich, dass einige dank der Behandlung in begrenztem Umfang wieder eine Arbeit aufnehmen konnten", sagte Scholz. Die "Blockade der Unionsfraktion" habe keinen Erfolg gehabt. Scholz zeigte sich zufrieden, dass "es nun gelungen ist, einen gesetzlichen Rahmen für die reguläre Behandlung mit Diamorphin zu schaffen".

Auch Hamburgs Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) begrüßte den Beschluss. "Die Diamorphinbehandlung ist für einige wenige langjährige und schwer kranke Drogenabhängige die Chance, in ein geregeltes Leben und weiterführende Therapien zurückzufinden. Hamburg hat damit gute Erfahrungen gemacht", sagte er. Jetzt müsse geklärt werden, "dass die Krankenkassen die medizinischen Behandlungskosten übernehmen, während die psychosoziale Begleitung vom Staat übernommen wird".

Dem beschlossenen Gesetz zufolge soll Diamorphin künftig nicht mehr als illegale Droge eingestuft, sondern als verschreibungsfähiges Betäubungsmittel zugelassen werden. Damit sollen aber nur Schwerstabhängige Opiatsüchtige behandelt werden, die nach herkömmlichen Methoden wie der Methadon-Substitution nicht therapierbar sind. Die Patienten müssen bereits zwei erfolglose Therapien hinter sich haben, 23 Jahre alt und seit mindestens fünf Jahren abhängig sein. Die Diamorphinbehandlung wird auf Einrichtungen beschränkt, die bestimmte Vorgaben erfüllen.

Grundlage für die Entscheidung ist eine Studie in Bonn, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München von 2002 bis 2006, bei der die Drogenambulanzen den Einsatz von Ersatz-Heroin mit mehr als 1000 Abhängigen testeten. Der Beschluss sichert, dass die sieben Modellstädte die Abgabe von Ersatz-Heroin fortführen können.

Die Unionsfraktion hatte einen eigenen Antrag vorgelegt, nach dem die Modellprojekte wieder vom Bund gefördert und neue Teilnehmer zugelassen werden sollten. Zugleich forderte die Union weitere Untersuchungen. Die Substitutionsbehandlung lasse noch viele Fragen offen, sagte die Drogenbeauftragte der Unionsfraktion, Maria Eichhorn (CSU).