Wir sind in der Türkei mit Erzählungen über die traditionelle deutsch-türkische Freundschaft und Waffenbrüderschaft groß geworden.

Uns wurde beigebracht, dass zu den wichtigsten Eigenschaften der Deutschen Disziplin, Verlässlichkeit, Strebsamkeit und Kreativität gehören.

Ich habe mit Deutschland das erste Mal 1963 im Alter von 13 Jahren, als mein Vater mir von einem Gastarbeiter ein Transistorradio (Grundig) gekauft hat, "elektronische Bekanntschaft" gemacht. Aber meine erste echte fand im Jahre 1971 statt, als ich Berlin besuchte. Ich wusste, dass Deutschland von Deutschland, Deutsche von den Deutschen durch Mauern getrennt wurden. Aber diese Mauern am Ort aus nächster Nähe zu sehen, hat mich wirklich sehr berührt. Im Jahr 1973 beschloss ich, mein Medizinstudium in Frankreich abzubrechen, und ging nach Deutschland.

Von 1983 bis 1985 arbeitete ich als Büroleiter von "Hürriyet" in Berlin. Jedoch hat mich die Berliner Mauer, auch wenn ich sie nicht jeden Tag zu Gesicht bekam, nicht nur gestört, vielmehr auch krank gemacht. Deswegen bin ich nicht in Berlin geblieben. Den Fall der Mauer am 9. November habe ich als "Hürriyet"-Korrespondent in Bonn im Fernsehen verfolgt. Über dieses historische Ereignis habe ich mich wie verrückt gefreut. In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990 erlebte ich die Feierlichkeiten der Wiedervereinigung vor dem Reichstag. Als die Freiheitsglocken ertönten, wollte ich alle Deutschen umarmen und gratulieren.

Auch wenn ich von Zeit zu Zeit enttäuscht werde, fühle ich mich in Deutschland in einem modernen, demokratischen Rechtsstaat. Ja, ich lebe seit 36 Jahren in diesem Land. Deutschland ist für mich meine zweite Heimat geworden, für unseren zwölfjährigen Sohn Berk Ömer "erste Heimat". Mit all seinen Vor- und Nachteilen bin ich glücklich, hier zu leben. Sogar sehr glücklich.

In loser Folge beschreiben Auslandskorrespondenten ihre Sicht auf 60 Jahre Deutschland. Heute: Ahmet Külahci, "Hürriyet".