Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback verlangt neue Nachforschungen.

Berlin

Vermutlich hatte sich die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, die Vorstellung ihres Tätigkeitsberichts weniger aufgeregt vorgestellt. So aber stand dieser an sich wenig aufregende Vorgang ganz im Licht des spektakulären Aktenfunds der vergangenen Woche, und Marianne Birthler musste sich bohrende Fragen zum Fall Kurras gefallen lassen. Etwa, warum man erst jetzt entdeckt habe, dass der Mann, der 1967 Benno Ohnesorg erschoss, ein Stasi-Mitarbeiter gewesen sei? Beziehungsweise ob die Behörde die Erforschung von Stasi-Aktivitäten im Westen vernachlässigt habe?

Nichts von dem wollte die Bundesbeauftragte auf sich sitzen lassen. Im Vergleich zu anderen Themen sei die "Westarbeit" der DDR- Staatssicherheit "wahrscheinlich am intensivsten bearbeitet worden", sagte Marianne Birthler in Berlin. Der Beweis: Dazu gebe es acht umfangreiche Publikationen, und allein in den vergangenen beiden Jahren seien 172 einschlägige Forschungs- und Medienanträge bearbeitet worden. Den speziellen Vorwurf im Fall Kurras wies Birthler mit dem Hinweis zurück, die insgesamt 17 Kurras-Akten seien erschlossen und zugänglich gewesen. Zu bestimmten Entdeckungen komme es aber eben erst, wenn Wissenschaftler neuen Thesen nachgingen: "Und die Kurras-Akten sind nie angefragt worden." Nicht einmal, wie Birthler feststellte, von Uwe Soukup, der vor zwei Jahren das Buch "Wie starb Benno Ohnesorg?" veröffentlicht habe: "Es ist eben niemand auf die Idee gekommen, dass Kurras auch für die Stasi gearbeitet haben könnte." Ihrem Kollegen, dem Historiker Helmut Müller-Enbergs, der den Aktenfund im Rahmen einer anderen Recherche gemacht und offenbar ohne Absprache mit Birthler im ZDF präsentiert hatte, attestierte die Bundesbeauftragte einen "gewissen Übereifer". Es sei, so Birthler, nicht unbedingt Brauch ihrer Behörde, ein Medium bevorzugt zu behandeln.

Die Bundesbeauftragte teilte mit, dass es zum Dutschke-Attentäter Josef Bachmann keine Akte der DDR-Staatssicherheit gebe. Über eine solche mögliche Verbindung war in den letzten Tagen spekuliert worden. Dutschkes Sohn Marek hatte diese Spekulation befördert, indem er der "Bild"-Zeitung gegenüber erklärt hatte: "In dem Brief von Rudi, den meine Mutter nach seinem Tode öffnen sollte, hat mein Vater die Vermutung geäußert, dass hinter dem Anschlag auf ihn das MfS gesteckt haben könnte. Die DDR, so mein Vater, habe damals gefürchtet, dass der antiautoritäre Sozialismus, für den Rudi stand, auf den anderen Teil Deutschlands überschwappen könnte." Bachmann hatte Rudi Dutschke 1968 auf dem Berliner Kurfürstendamm niedergeschossen. Der Studentenführer starb 1979 an den Spätfolgen des Attentats.

Inzwischen hat auch der Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback entsprechende Nachforschungen gefordert. "Ich habe schon als Junge gedacht, meinen Vater holt mal die Stasi", sagte Michael Buback der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Mein Vater hat sich sein Arbeitsleben lang mit Landesverrat und Spionage befasst. Wenn man ihm ans Leder wollte, dann deshalb." Siegfried Buback hat unter anderem in der Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume ermittelt, die 1974 zum Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt führte.