Es ist fast 30 Jahre her, dass der Deutsche Bundestag die Verjährung von Mord generell aufgehoben hat - nach einer Debatte, die ähnlich von Ernsthaftigkeit wie Leidenschaft geprägt war, wie wir das etwa von gleichermaßen historischen Parlamentsentscheidungen über die Ostverträge oder die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland kennen.

Daran sollten wir uns heute erinnern, wenn demnächst der mutmaßliche, 89 Jahre alte NS-Verbrecher Iwan Demjanjuk in München vor Gericht kommt. Das Gesetz kennt aber nicht nur keine Verjährung für Mord, es kennt auch keine Altersgrenze für die Ahndung dessen, was in den deutschen Schlachthäusern der Menschheitsgeschichte passiert ist - heißen sie nun Auschwitz, Dachau oder Neuengamme, Flossenbürg oder Sobibor, wie im Fall von Iwan Demjanjuk.

Ein KZ war eine Einrichtung für die Vernichtung von Menschen. Was dort passiert ist, hat der berühmte deutsche Philosoph Karl Jaspers einmal mit einem "geschichtlichen Ausnahmezustand" beschrieben - für den nicht allein ein Mann namens Adolf Hitler verantwortlich war, auch wenn das viele Deutsche nach dem Krieg gerne glauben wollten. Hitlers Mordmaschinen in den Konzentrationslagern wurden von Menschen bedient.

Genau deswegen muss der Prozess stattfinden - sofern der Angeklagte dazu gesundheitlich in der Lage ist. Das zu beurteilen, ist Sache des Gerichts und des Gesetzes. So ist das in einem Rechtsstaat. Aber Gnade für Greise steht in keinem Gesetz. Das Recht hatte keinen Platz in Auschwitz und Sobibor. Gnade schon gar nicht. Dass die Leiden der Opfer unvergessen vor der Geschichte bleiben müssen, hat der deutsche Papst gerade in der Gedenkstätte Yad Vashem eindrucksvoll unterstrichen. Die Leiden der Opfer aber dürfen auch nicht ungesühnt bleiben.