Auch in seinem neuen Job nimmt der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin kein Blatt vor den Mund.

Hamburg/Frankfurt - Der neue Bundesbankvorstand - bekannt für seine kompromisslose Haltung zur Höhe der Sozialleistungen - prophezeite in einem gestern veröffentlichten "Stern"-Interview sinkende Renten und warb dafür, das Kinderkriegen nicht durch soziale Leistungen zu fördern. Die zum Juli anstehende Rentenerhöhung bezeichnete er im "Stern" als "völlig unsinnige Maßnahme". Die Senioren-Union forderte eine Entschuldigung. "Einmal mehr zeigt der notorische ,Polit-Punker', dass ihm die Lust an der Provokation wichtiger ist als sachgerechte Arbeit", sagte der Chef der CDU-Seniorenvereinigung, Otto Wulff. Die Seriosität der Bundesbank stehe auf dem Spiel.

"Langfristig müssen die Renten natürlich real fallen", sagte Sarrazin. Gegenwärtig komme auf einen Arbeitnehmer statistisch gesehen ein halber Rentner, in 25 bis 35 Jahren werde das Verhältnis bei eins zu eins liegen. "Wir können die Erwerbstätigen aber nicht ohne Ende belasten", sagte der Ex-Finanzsenator, der dem Bundesbankvorstand seit dem 1. Mai angehört. Die Renten müssten langfristig auf das Niveau einer Grundsicherung sinken.

Sarrazin warb dafür, dass die Menschen verstärkt selbst für das Alter vorsorgen. Dabei sollten sie lieber auf Bundesanleihen setzen und sich nicht von den Versprechungen der Geldinstitute blenden lassen: "Man muss den Leuten sagen: Glaube keinem Bankberater." Der neue Bundesbankvorstand wandte sich dagegen, soziale Probleme mit mehr Geld zu lösen. "Die große Frage ist: Wie kann ich es schaffen, dass nur diejenigen Kinder bekommen, die damit fertig werden", sagte er. Sarrazin meint auch, dass Hartz-IV-Empfänger Energie verschwenden , weil Städte und Gemeinden die Heizkosten übernehmen: "Hartz-IV-Empfänger sind erstens mehr zu Hause, zweitens haben sie es gerne warm, und drittens regulieren viele die Temperatur mit dem Fenster", zitiert ihn der "Stern". Sein neuer Arbeitgeber zeigte sich nicht erfreut. Bundesbank-Präsident Axel Weber ließ mitteilen: "Die Äußerungen Sarrazins geben nicht die Position der Bundesbank wieder."