Mit der Ablehnung von Pauschalkritik an der DDR hat Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) heftige Kritik ausgelöst.

Hamburg/Schwerin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Wochenende auf einem Parteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Sternberg: "Die DDR war auf Unrecht gegründet." Sie vermute, dass Sellering mit seinen Äußerungen vom Wesentlichen ablenken und sich Freunde bei den Linken machen wolle, die sich bis heute nicht mit der DDR auseinandergesetzt hätten.

Sellering hatte zuvor dem Hamburger Abendblatt gesagt, 20 Jahre nach dem Mauerfall dürfe im Zusammenwachsen beider deutscher Staaten nicht nur das zählen, was aus dem Westen komme. Er stehe auch weiter zu seiner Äußerung, man dürfe die DDR nicht "als den totalen Unrechtsstaat verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab". Auch in der Bewertung der DDR-Rechtsprechung riet er zu einer differenzierten Sichtweise. Es seien auch in der DDR gerechte Urteile gefällt worden. Sellering war Anfang der 1990er-Jahre als Richter aus Nordrhein-Westfalen nach Greifswald gewechselt.

CDU-Chefin Merkel betonte, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Was sich nicht auf demokratische Prinzipien gründe, könne auch nicht demokratisch sein, betonte die Bundeskanzlerin. Es habe keine freien Wahlen gegeben. Das System habe auf Angst und Lüge beruht. Trotzdem seien natürlich Dinge wie etwa der Ehevertrag legal gewesen. Deshalb habe auch nicht jeder neu heiraten müssen, als die Wiedervereinigung stattfand. Die Kanzlerin hat bereits mehrfach auf Veranstaltungen und in Interviews vor einer Verklärung des SED-Staates gewarnt.

Auch der CDU-Landesvorsitzende Jürgen Seidel kritisierte Sellering. Man müsse trennen zwischen dem Staat, der ein Unrechtsstaat gewesen sei, und der Lebenswirklichkeit der Menschen. "Natürlich haben wir gelacht, geweint, gefeiert, viele sind miteinander anständig umgegangen", sagte Seidel. Das sei aber keine Leistung des Staates, sondern der Menschen gewesen.

Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, legte Sellering einen Rücktritt nahe. "Er sollte in sich gehen und etwas anderes machen", sagte Gehb der "Welt am Sonntag". Die DDR-Justiz sei nicht unabhängig gewesen, auch wenn einzelne Richter durchaus nach Gerechtigkeit gesucht hätten.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht die Verklärung der DDR teilweise als "Reaktion auf die vermeintliche Arroganz der Westdeutschen". Es seien aber auch "richtige Geschichtsfälscher" unterwegs, sagte Schäuble der "Bild am Sonntag". "Politiker der Linkspartei etwa, die leugnen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Diese Rattenfänger behaupten dann, wir hätten keinen Respekt vor der Lebensleistung der Menschen, die in der DDR gelebt haben. In Wahrheit wollen sie unter dem Deckmantel der Krise wieder den Sozialismus einführen."