Die Gewerkschaften haben bei ihren traditionellen Kundgebungen am 1. Mai vehement gefordert, die Reichen angesichts der Wirtschaftskrise stärker zur Kasse zu bitten. Im Vergleich zu letztem Jahr nahmen rund 70 000 Bürger mehr an den Veranstaltungen frei.

Berlin. Die Gewerkschaften haben bei ihren traditionellen Kundgebungen am 1. Mai vehement gefordert, die Reichen angesichts der Wirtschaftskrise stärker zur Kasse zu bitten. Ver.di-Chef Frank Bsirske machte sogar den Vorschlag, Managergehälter bis zu 80 Prozent zu besteuern. Bei der zentralen Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Bremen sagte dessen Chef Michael Sommer: "Die von skrupellosen Kasino-Kapitalisten und gewissenlosen Spekulanten ausgelöste weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise bedroht mittlerweile Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ihrer Existenz." Die Bundesregierung müsse noch in dieser Legislaturperiode mit der Regulierung der Finanzmärkte Ernst machen. Sommer verlangte, "Reiche und Superreiche" per Vermögensanleihe an den Krisenkosten zu beteiligen.

Insgesamt kamen mit 484 000 Menschen nach Gewerkschaftsangaben rund 70 000 mehr Bürger zu den Veranstaltungen als noch vergangenes Jahr. Zentrales Thema waren die Folgen der tiefsten Wirtschaftskrise seit rund 80 Jahren. Die Gewerkschaftsführer mahnten auf den Kundgebungen, die "kleinen Leute" in der Krise nicht zu vernachlässigen. Besonders mit Bankern gingen sie hart ins Gericht. IG-Metall-Chef Berthold Huber forderte in Saarbrücken einen Schutzschirm für Arbeitnehmer.

Sommer sagte, Millionen von Hartz-IV-Empfängern müssten ihr kleines Vermögen erst aufbrauchen, bevor der Staat helfe. Das müsse auch für die Verantwortlichen in der Krise gelten. "Die Verursacher müssen zahlen, auch mit ihrem Privatvermögen", rief Sommer in Bremen vor 7000 Menschen.

Trotz der Beschlüsse des G20-Gipfels in London habe sich bei der Finanzmarktregulierung kaum etwas getan, kritisierte Sommer die Regierung. Es gehe darum, Spekulation einzudämmen, Firmen nicht mehr an kurzfristigen Renditezielen auszurichten und den Finanzsektor über Steuern an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Zugleich forderte Sommer weitere Milliarden zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Die bisherigen Konjunkturprogramme reichten nicht aus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte ein drittes Konjunkturpaket erneut ab. Sie rechne damit, "dass die Talsohle in diesem Jahr erreicht wird und wir dann langsam, aber sicher aus dem Tal herauskommen", sagte sie der "Neuen Presse" in Hannover.

In Hamburg folgten 3500 Demonstranten dem DGB-Motto "Arbeit für alle, bei fairem Lohn". Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, forderte ein Ende der "Gier der Eliten". Zudem erneuerte er seine Warnung von "sozialen Verwerfungen".

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bot den Gewerkschaften einen Schulterschluss an. In Ludwigshafen sagte der Vizekanzler mit Blick auf die Krise: "Sozialdemokratie und Gewerkschaften miteinander - das ist die Lehre, die wir aus diesem Desaster ziehen müssen." Das Land brauche starke Gewerkschaften. Bundespräsident Horst Köhler kritisierte erneut das Verhalten der Banken. "Der anglo-amerikanische Kasino-Kapitalismus ist gescheitert", sagte er der "Bild"-Zeitung.