Islamist erhebt sich nicht für das Gericht. Verteidiger bezweifeln die Rechtmäßigkeit der Beweise. Bilder von den Sauerland-Bombern.

Düsseldorf. Kein Zweifel, er ist der Chef der Gruppe. Als Fritz Gelowicz (29) gestern als erster der vier Angeklagten in das hoch gesicherte Verhandlungsgebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf geführt wird, schlendert er. Fast lässig sieht er in seinem weißen Pullover und der verwaschenen Jeans aus. Und sehr bestimmend. Die lebenslängliche Haft, die ihm und seinen drei Komplizen Adem Yilmaz (30), Daniel Schneider (23) und Atilla Selek (24) für die Planung einer bisher nie da gewesenen Anschlagsserie in Deutschland drohen, scheinen ihn und die anderen nicht zu beeindrucken. Yilmaz langweilen sie sogar. Er grinst abfällig, guckt genervt, weigert sich, sich für das Gericht zu erheben und seine Kopfbedeckung abzunehmen. "Ich stehe nur für Allah auf", ruft der Islamist durch die Panzerglasscheibe in den riesigen Gerichtssaal, der an eine moderne Mehrzwecksporthalle erinnert.

Meterhohe Panzerglaswände trennen die Angeklagten von den Anwälten, Richtern und Anklägern sowie diese wiederum von den Zuschauern. An den hellen holzgetäfelten Wänden sind in meterlangen Regalen die mehr als 500 Prozessakten sorgfältig aufgereiht.

Gestern begann in Düsseldorf mit der Anklageverlesung gegen die Islamisten der sogenannten Sauerland-Zelle einer der größten, vielleicht sogar der größte Terrorprozess in Deutschland. Mit der Detonation von selbst gebauten Bomben aus Wasserstoffperoxid vornehmlich an US-Einrichtungen wollten sie, so sagte Bundesanwalt Volker Brinkmann in seiner Anklage, "ein Ausmaß wie bei den Terroranschlägen vom 11. September" in den USA erreichen. Später wird er noch hinzufügen: "Ich habe schon viele Verfahren erlebt, aber bisher habe ich noch keine Ermittlungen geführt, bei denen eine derart große Menge Menschen getötet werden sollte." In der Schlussphase der Planungen kurz vor ihrer Verhaftung im September 2007 im Sauerland hörten die Fahnder mit, wie die Angeklagten beschlossen, mindestens drei Autos mit 250 Kilogramm Sprengstoff zu bestücken. Je ein Auto für Gelowicz, Schneider und Yilmaz. "Wenn jeder 50 tötet, dann sind es 150 Tote", sagte Gelowicz.

Die Anklage zeichnete das Bild von vier jungen Muslimen aus Deutschland, die nach einer entsprechenden Ausbildung in Terrorcamps an der pakistanisch-afghanischen Grenze im Jahr 2006 aus Hass auf die "Ungläubigen" alles daransetzten, Deutschland mit Anschlägen zu überziehen. In Ausbildungslagern der Islamischen Dschihad-Union (IJU), die dem Terrornetzwerk al-Qaida zugerechnet wird, hätten sie konspiratives Verhalten und Bombenbau gelernt. Gelowicz, Yilmaz und Schneider hätten dann 2007 einen deutschen Ableger der Terrorgruppe gegründet.

Nach Ermittlungen der Ankläger ist das dokumentiert in der Einrichtung vom E-Mail-Accounts, die sie zum heimlichen Austausch nutzten. Dabei wurden die Mails nicht abgeschickt, sondern nur in dem Entwurfordner gespeichert, auf den alle Zugriff hatten. So wollten sie eine mögliche Überwachung umgehen. Gelowicz war demnach der Anführer, Yilmaz der Kassenwart, Schneider der Bombenbastler und Selek in der Türkei der Beschaffer der Zünder. Bei Yilmaz fanden die Ermittler einen Umschlag mit 5300 Euro. Darauf stand in arabischer Schrift "Staatskasse".

Die Verteidiger der vier Islamisten bezweifelten jedoch, dass es überhaupt eine IJU gibt. Gelowicz' Rechtsanwalt Dirk Uden behauptet, dass sein Mandant bis zu einer Presseveröffentlichung im Mai 2007 über die IJU diese Gruppe gar nicht gekannt habe. Für wen er dann aber die Bomben bauen wollte, kann Uden nicht erklären. Die Anwälte zweifeln generell an der Verwertbarkeit der Ermittlungsergebnisse. Diese seien möglicherweise rechtswidrig über Geheimdienste erworben worden. Außerdem hätte die Bundesanwaltschaft in Gefängnissen von Kasachstan und Usbekistan Zeugen vernommen, die möglicherweise gefoltert wurden.

Gestern schwiegen die Angeklagten. Aussagen wird wohl nur Schneider, weil er des versuchten Mordes an einem Polizisten angeklagt ist. Auf ihn hatte er während seiner Flucht geschossen.

Schneider ist der Jüngste von allen. Er war der Einzige, der sich nach der Festnahme ohne Maske fotografieren ließ. Fast interessiert folgte er gestern in seinem weißen Hemd der Verhandlung. Anders als Yilmaz. Der legte am Nachmittag seinen Kopf auf die Stuhllehne und schloss die Augen.