Da war selbst “Tricky Egon“ platt: 9. November 1989, in Berlin wird die Mauer geöffnet, am Telefon Egon Bahr und Willy Brandt. Zwei SPD-Urgesteine,

Hamburg. Da war selbst "Tricky Egon" platt: 9. November 1989, in Berlin wird die Mauer geöffnet, am Telefon Egon Bahr und Willy Brandt. Zwei SPD-Urgesteine, die durch Krieg, Teilung, Annäherungsversuche und durch das Stahlbad des Kalten Krieges gemeinsam gegangen sind.

Brandt: "Weißt du, was los ist?" Bahr: "Ja." Brandt: "Hast du es gesehen?" Bahr: "Ja." Brandt: "Hättste nicht gedacht!" Bahr: "Nein."

Der Dialog sagt viel über Wirklichkeit und Wünsche der Sozialdemokraten aus. Bahr arbeitete so lange am "Wandel durch Annäherung" an den ehemaligen Ostblock, dass dessen Auflösung ihn anscheinend kalt erwischte.

Gestern bekam der 86-Jährige mit dem nach wie vor wachen Geist im Schauspielhaus den "Marion Dönhoff Preis für internationale Verständigung und Versöhnung" (Dotierung: 20 000 Euro). Was als Veranstaltung der "Zeit"-Stiftung geplant war, musste zur Selbstvergewisserung der SPD im Jahre 2008 herhalten. Dazu trug auch Frank-Walter Steinmeier bei. Nicht mit seiner akademischen Laudatio auf Bahr, sondern mit dem Gestus des durchstartenden Wahlkämpfers.

Als gelte es, ihn schon jetzt für das Duell mit Angela Merkel im Wahljahr 2009 zu positionieren, wurde er vorgestellt als "Kanzlerkandidat der SPD, Bundesaußenminister". Steinmeier setzte seine Pointen sicher, und jede begleitet mit einem Lächeln für die Fotografen. Bahr sei "ein scharfsinniger Denker und Analytiker der Außenpolitik" gewesen, wie es nur wenige gebe.

Da ging den SPD-Freunden im voll besetzten Haus mit dem roten Plüsch das Herz auf: Peter Maffay (Sänger), Michael Naumann (Ex-Spitzenkandidat), Manfred Lahnstein (Ex-Minister), Freimut Duve, Hans-Ulrich Klose und, und, und. Theo Sommer ("Zeit") seufzte beinahe, als er sagte: "Dies ist keine SPD-Binnenveranstaltung."

Bahr selbst sagte: "Wer überlegt, was von der Entspannungspolitik relevant für die Gegenwart geblieben ist, stößt auf die verantwortungsvolle Rolle, die Deutschland dabei spielen kann, falls Präsident Obama in eine ähnliche Richtung denkt. Ich bin überzeugt, das wäre auch im Sinne von Marion Dönhoff."

Bahr war als einer der wenigen mit der früheren "Zeit"-Chefin per Du. Die Einladung, zur Unterzeichnung der Ostverträge mit Brandt zu reisen, nahm die Gräfin dann aber doch nicht an.

Weil es Bahr war, bemühte Kanzlerkandidat Steinmeier versteckt in seiner berechtigten Lobpreisung auch das geflügelte Wort des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU). Er sagte Richtung Bahr: "Ich möchte dir Dank sagen im Namen dieses unseres Landes."