Bundesausschuss ist skeptisch: Da muss ein konkreter Vorschlag kommen. Zigarettenindustrie nennt Plan “absurd“.

Berlin/Hamburg. /

Deutschlands Ärzte wollen Rauchen und Tabakabhängigkeit als Krankheit anerkennen lassen. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) unterstützen die Idee, um die medizinische Raucherentwöhnung von den gesetzlichen Kassen bezahlt zu bekommen. Bei einer Anhörung mit der Bundesdrogenbeauftragten Sabine Bätzing (SPD) brachte die Ärztekammer vor: Es gehe beim Rauchen nicht um ein "Lifestyle"-Problem, das man durch den eigenen Willen oder Gruppengespräche lösen könne.

Die Vorbeugung, die im großen Stil auch von der Drogenbeauftragten betrieben wird, reicht den Ärzten nicht. Bei der Mehrzahl der Raucher handele es sich um "Abhängigkeitserkrankte". Nichtraucherkurse seien nur in den Großstädten flächendeckend zu buchen und sprächen vor allem "mittlere und höhere soziale Schichten" an.

Unter den Medizinern habe sich dagegen eine Zusatzausbildung etabliert, die "Ärztliche Tabakentwöhnung" heiße. Diese Behandlung solle nun in den "entsprechenden vergütungsrechtlichen Rahmenbedingungen" von den Kassen bezahlt werden.

Diesen Vorstoß sieht der dafür zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) skeptisch. "Wenn es eine sichere, wirksame und wirtschaftliche Methode zur Raucherentwöhnung gäbe, müssten die Ärzte oder die Kassen einen Antrag stellen", sagte G-BA-Sprecherin Kristine Reis-Steinert dem Abendblatt. Dann würde der G-BA die Methode nach wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kriterien prüfen wie jede andere Methode oder neues Medikament auch: Nützt es? Schadet es? Was kostet es?

"Da muss schon ein konkreter Vorschlag zur Methode kommen. Präventive Maßnahmen sind nicht unser Auftrag", so Reis-Steinert, "und Arzneimittel zur Raucherentwöhnung sind gesetzlich ausgeschlossen." Nikotinpflaster etwa gelten als Lifestyle-Medikamente und werden nicht von den Kassen erstattet.

Von einer "absurden Forderung der Ärzte" sprach British American Tobacco. "Damit würden in Deutschland 20 Millionen Menschen als Kranke deklariert", sagte BAT-Sprecher Ralf Leinweber dem Abendblatt. Rauchen berge Gesundheitsrisiken, sei aber "Teil unserer Kultur".

Die Kassenärzte halten eine Einstufung des Rauchens als Krankheit für sinnvoll, weil Tabakabhängigkeit "eine Suchtkrankheit wie etwa Alkoholismus auch ist", sagte KBV-Sprecher Roland Stahl der "Kölnischen Rundschau".

Der Drogen- und Suchtrat erwägt weitere Verbote der Tabak- und Alkoholwerbung und beim Zugang. Beides solle außerdem teurer gemacht werden. Mit verschiedenen Aktionsprogrammen will die Drogenbeauftragte Bätzing das Rauchen und Trinken weiter zurückdrängen.