Hamburg wird Verlierer sein. DAK-Chef Rebscher: Auch die Versorgung ist gefährdet.

Hamburg. Wie krank die Kassen sind, das haben sie bald schwarz auf weiß. Bis zum Ende dieses Monats müssen die gut 200 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland detailliert aufschreiben: Wie viele Versicherte sind wie alt, haben welche Krankheiten, die was kosten? "Morbidität" heißt das im Fachjargon. Wer krank ist, kostet die Kassen Geld. Doch mit dem für 2009 geplanten Gesundheitsfonds bringt der Kranke Geld in die Kasse.

"Absurd", "Tod des Wettbewerbs", "geradezu pervers" haben Kassen-Chefs und Experten auch im Abendblatt diese Konstruktion genannt. Jens Luther, Chef der HEK, sagte: "Gerade die Gesundheitsbewussten werden bestraft." Denn künftig werden die Kassen nicht mehr einen selbst kalkulierten Beitrag erheben. Sie bekommen einheitliche Zuwendungen aus dem Fonds pro Versicherten und einen Zuschlag für Versicherte mit 80 genau definierten chronischen Krankheiten. Vorsorge und alle Programme zur Vermeidung von Krankheiten erscheinen dadurch sinnlos.

"Dieses System ist manipulationsanfällig", kritisierte der Vorstandsvorsitzende der Siemens Betriebskrankenkasse, Hans Unterhuber, im Abendblatt. Vor allem günstige Kassen sind gebeutelt. Sie müssen den Einheitsbeitrag von vielleicht 15,5 Prozent des Bruttoeinkommens erheben, verteuern sich also über Nacht zum 1. Januar 2009. Wenn sie dann von ihren Versicherten noch einen Zusatzbeitrag fordern müssen, weil sie plötzlich wegen vieler gesunder Mitglieder nicht mit dem Geld aus dem Fonds auskommen, sind sie pleite.

"Für eine junge Familie macht es einen Unterschied, ob sie fünf Euro monatlich zuzahlen muss oder vielleicht woanders 20 Euro erstattet bekommt. Die wird schnell wechseln", sagte der Chef der DAK, Herbert Rebscher, dem Abendblatt. "Die Kassen werden um jeden Preis eine Zusatzprämie vermeiden wollen", so Rebscher. Denn wenn viele wegen der Prämie wechseln, ist die Kasse binnen Monaten am Ende. "Der Fonds schaltet ökonomische Konsequenzen scharf, die zum Konkurs und in der Folge zu Anschlusskonkursen führen können", so Rebscher. Er glaubt sogar, dass dieser "Großversuch" die medizinische Versorgung gefährden könne.

Zwischen 40 und 51 Millionen Extrakonten müssen die Kassen für den Fonds einrichten. Verwaltungskosten: 1,2 Milliarden Euro. Das Experiment mit dem 150 Milliarden Euro schweren Fonds steht auf wackligen Füßen. "Wir können überhaupt keinen Haushalt aufstellen", klagt Rebscher.

Beim Blick auf Gehaltszettel und Krankenkassenkonto im Bundestagswahljahr 2009 werden viele Versicherte stinksauer sein. Wer einen Zusatzbeitrag zahlen muss, und dann geht womöglich noch seine Krankenkasse pleite - der hat wenig Vertrauen in einen politisch durchgeboxten Gesundheitsfonds. Doch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) stehen Seit' an Seit' für diesen Fonds. Die FDP schäumt wegen drohender "Verstaatlichung". Die CSU fürchtet einen Finanzabfluss aus Bayern. Deshalb wurde eine Klausel verankert, nach der die Verluste pro Bundesland nicht höher als 100 Millionen Euro sein dürfen. Ob und wie das genau funktioniert, ist unklar.

"Auch Hamburg wird Verlierer des Fonds sein", sagte Kassenchef Unterhuber. Selbst gut wirtschaftende Kassen-Tanker wie die Techniker bekämen Probleme.

Auch die Arbeitgeber lehnen den Fonds ab: "Schade, dass die Kanzlerin so knallhart dahintersteht", sagte der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, dem Abendblatt. "Die Unternehmer unterschätzen, was da auf sie zukommt."