Parteichef Guido Westerwelle stellt sich hinter seinen kritisierten Generalsekretär Niebel. Versöhnlich auch gegenüber Gerhardt.

STUTTGART. Die Liberalen in Deutschland haben ein Problem: Neben der Großen Koalition werden sie auf der politischen Bühne in Deutschland allenfalls noch als führungsloser Haufen wahrgenommen. Mit dem traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart baute sich die FDP daher gestern ihre eigene Bühne, ritt einen Frontalangriff gegen die Bundesregierung und warb für eine politische Wende in Deutschland.

"Der Neosozialismus muss wieder kleingeschrieben werden", sagte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle im Stuttgarter Opernhaus vor mehr als 1000 Zuhörern. Das vergangene Jahr unter Schwarz-Rot sei "ein Jahr der verpassten Chancen" gewesen. Die Leistungsträger der Gesellschaft und Familien würden immer stärker belastet. Nur wenn die FDP in Hessen und Niedersachsen nach den Wahlen Ende Januar mit der CDU an die Regierung komme, könne der "Linksrutsch" beendet werden.

Westerwelle stellte sich vor seinen Generalsekretär Dirk Niebel, der für einen Vergleich der Großen Koalition mit den Zuständen in der DDR heftige Kritik hatte einstecken müssen. "Ich möchte lieber Niebel als Generalsekretär als jemanden, der schweigt." Niebels Entschuldigung reiche vollkommen aus.

Auch im Streit über die kritischen Äußerungen von Ex-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt am Erscheinungsbild der FDP gab sich Westerwelle versöhnlich. "Ich bin mal in die FDP eingetreten, weil man hier diskutieren kann", so der Parteichef. Zuvor war Gerhardt mit viel Beifall im Stuttgarter Opernhaus empfangen worden.

FDP-Frontmann Westerwelle warf der SPD in Hessen und Niedersachsen vor, im Zweifel mit den Grünen und der Linken regieren zu wollen. "Sie werden umfallen." Er beklagte, der Aufschwung komme in der "vergessenen Mitte" der Gesellschaft nicht an. Wegen der Maßnahmen von Schwarz-Rot habe eine vierköpfige Familie im vergangenen Jahr rund 1600 Euro weniger zur Verfügung gehabt.

Der Parteichef kündigte an, die FDP werde sich im Fall von Regierungsbeteiligungen stärker um die Leistungsträger in der Gesellschaft kümmern. "Leistung muss sich lohnen. Und derjenige, der arbeitet, muss auch mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet."

Auch Generalsekretär Niebel lehnte erneut die in der Großen Koalition diskutierten Mindestlöhne ab. "Mindestlöhne sind maximaler Unsinn."

Westerwelle wandte sich gegen die von der CDU geforderte Verschärfung des Jugendstrafrechts. "Wir haben in Deutschland kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit." Die Strafen müssten auf dem Fuße folgen, damit Jugendliche daraus etwas lernten. Das sei aber in Hessen nicht der Fall. Der dortige Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte die Debatte über schärfere Gesetze im Landtagswahlkampf forciert. Bei der Dauer der Verfahren ist Hessen laut Westerwelle mit Brandenburg Schlusslicht.

1000 neue Gesetze nützten nichts, wenn die Polizei in den Straßen nicht sichtbar sei, sagte Westerwelle. So mache sich die CSU in Bayern unglaubwürdig, wenn sie schärfere Gesetze fordere, obwohl sie die Zahl der Polizisten reduziert habe. (HA)