HAMBURG. Der Fall betrügerischer Abrechnung von gefälschten Krebsmedikamenten zieht immer weitere Kreise. Das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) ermittelt inzwischen. Ob es wie in anderen Bundesländern zu Durchsuchungen und Beschlagnahmungen kommt, ist noch nicht abzusehen. Mit Erschütterung haben Apotheker beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf auf die Enthüllung des Abendblatts reagiert.

Der Hamburger Thomas Boner, der selbst Mitglied im Verband der Zytostatika herstellenden Apotheker ist, sagte dem Abendblatt: "Es gibt kriminelle Apotheker, und das ist eine absolute Sauerei. Wahrscheinlich wurde kein Patient geschädigt, aber die illegal importierten Mittel unterliegen nicht der strengen Überwachung." Für seinen Betrieb schloss er den Einsatz billiger Inhaltsstoffe, die bei den Krankenkassen teuer abgerechnet werden, aus. "Wir würden unsere Lizenz verlieren. Es ist gesetzlich verboten."

Außer der Techniker Krankenkasse (TKK) hat auch die AOK Hinweise auf Abrechnungsmanipulationen mit gefälschten Krebsmitteln. Die TKK machte sich für mehr Offenheit bei den Arzneimittelzubereitungen stark. "Diese Transparenz brauchen wir, um illegale Importe zukünftig aufdecken zu können", sagte der TK-Ermittler Frank Keller, der den Fall mit ins Rollen brachte. Hamburgs Apothekervereins-Chef Jörn Graue sprang dem Kassen-Polizisten bei: "Ich plädiere dafür, ab sofort auch bei Zubereitungen die Pharmazentralnummern der tatsächlich verwendeten Präparate und die Anteile der verwendeten Inhaltsstoffe auf das Rezept aufzubringen."

Bei den laufenden Ermittlungen ist Eile geboten, nicht nur wegen möglicher Unsicherheiten bei Patienten. Um die betrügerischen Krebsmittel-Mixer zu überführen, muss man ihnen den Einsatz illegaler Inhaltsstoffe nachweisen können. Es reicht nicht, dass sie ihre Warenlisten der Krankenkasse schicken. Vor Ort, in Apotheken und bei Pharmahändlern, müssen die Warenein- und ausgänge überprüft werden. Die federführende Staatsanwaltschaft Mannheim hat zwei Hauptverdächtige ins Visier genommen, die bundesweite Kontakte zu mindestens 80 Apotheken von 300 überhaupt nur für die Zytostatika-Herstellung lizensierten Apotheken gehabt haben sollen. Da bei den bisherigen Razzien der Polizei auch andere verdächtige Substanzen gefunden worden sind, ist nicht auszuschließen, dass es sich um einen europaweit agierenden Pharma-Ring handelt.