Hamburg. Beim Ehrenamt kommt schnell eins zum andern. Als der Prädikatsjurist und Anwalt Siegfried Kauder (56) eines Nachts darüber nachdachte, ob er den eben angetragenen Vorsitz in einem Förderverein für behinderte Kinder übernimmt, da ahnte er nicht, dass er bereits am nächsten Tag im Stall stehen und Pferde füttern würde. So macht man das in Villingen-Schwenningen. In Kauders Wahlkreis Schwarzwald-Baar ist Ehrenamt gleich Ehrensache.

Als einen in der Wolle gefärbten Berufspolitiker kann man den ein Jahr jüngeren Bruder des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder nicht bezeichnen. "Das Mandat ist ein Job auf Zeit", sagt Kauder. Zwar sitzt der direkt gewählte Parlamentarier seit 2002 im Bundestag, fährt aber oft im Land umher zwischen seinem beschaulichen Wahlkreis, seinen Einsatzorten für die diversen Ehrenämter und Berlin. "Das Wesentliche ist, dass die Bürger im Wahlkreis wissen, was man tut", sagt Kauder.

In der Diskussion um die Nebeneinkünfte hat Kauder eine tragende Rolle gespielt. Er gehörte zur Schar der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die neuen Veröffentlichungsregeln für Bundestagsabgeordnete. Als Mitglied der Kanzlei Lerner, Kauder, Lachenmaier und Kollegen GbR pocht Kauder auf die Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Mandanten.

Er sieht wohl Sinn darin, dass kein Abgeordneter von einem Geldgeber, Mandanten oder einem Geschäftspartner abhängig sein darf. "Aber von den jetzigen Veröffentlichungen kann man auch nicht auf den Gewinn für den einzelnen Abgeordneten schließen."

Im Gegensatz zu seinem oft gefragten Bruder spricht er nicht viel, ackert umso mehr. Vorträge halten, Spenden sammeln, als erfahrener Rechtsexperte mal einen Tipp geben: "Die Ehrenämter sind eine Ochsentour. Da ist immer was los." Im Kuratorium der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung hat er einen festen Platz - undotiert. Grund- und Hauptschüler sollen nach Kauders Meinung Instrumente lernen. "Auch, wenn in der Blasmusik das Instrument manchmal größer ist als der Bub, der es spielt."

Seit neun Jahren ist Kauder II Vorstandsmitglied der Opferschutzorganisation Weißer Ring - gehaltvoll, aber entgeltfrei. Aus diesem Nebenjob heraus wurde er für den nächsten Beirat angeworben: ein Präventionsprojekt der Berliner Charite. Wie viel Zeit er für seine Ehrenämter aufwendet, kann Kauder kaum schätzen. "Das registriere ich nicht."

So sitzen, reisen und reden die meisten der 613 Bundestagsabgeordneten für ihre Ehrenämter in Aufsichtsräten, Beiräten, Vereinen, Stiftungen. Sehr aktiv und in ihren Nebenjobs bunt gemischt geben sich auch die Volksvertreter aus Hamburg und dem Umland. Da gibt es Engagement von den Hamburger Symphonikern (Anja Hajduk/Grüne), beim Fraunhofer Institut (Krista Sager/Grüne), in der Deutsch-Polnischen Gesellschaft (Antje Blumenthal/CDU) oder der Gesellschaft der Freunde Marokkos (Jürgen Klimke/CDU), aber auch in halboffizieller Funktion im ZDF-Fernsehrat (Olaf Scholz/SPD) oder im Deutschen Institut für Reines Bier (Jürgen Koppelin/FDP).

In Siegfried Kauders Welt stehen Ehrenämter und das Mandat im Vordergrund. Er leitet kritisch und penibel den BND-Untersuchungsausschuss, sitzt im Petitions-, Rechts- und Unterausschuss Europarecht des Bundestages. Eine "riesengroße Bereicherung" sieht Kauder im Ehrenamt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Bundestagsabgeordneter kein Ehrenamt hat."